Hinweis: Das heute erhältliche PS-98 hat mit dem damals beanstandeten Produkt PS-98 nichts mehr zu tun.
Wundermittel Psorigon?
Ich wurde im Juli durch eine Zeitschrift auf Psorigon aufmerksam. Anfang August bekam ich über Verwandte aus Deutschland das erste Mal dieses Präparat. Ich muss sagen, dass ich an meinem Oberschenkel ca. 80 Prozent und am Gesäss sowie an beiden Wadenbeinen und Ellbogen sehr starke Schuppenflechte hatte. Schon nach einigen Tagen bemerkte ich eine Linderung und hatte fast keine Schuppen mehr. Nach drei Monaten habe ich noch vielleicht acht bis zehn stark rote Flecken in der Grösse von ungefähr einem Fingernagel, ohne Schuppen. Nebenwirkungen konnte ich bis anhin keine feststellen. Wissen Sie mehr über Psorigon?
P.F. in V.
Im deutschen Privatfernsehen und in deutschen Zeitschriften wie "frau aktuell" und "Frau im Spiegel" wurde in diesem Sommer immer wieder auf Psorigon aufmerksam gemacht. "Endlich Hilfe durch Kakteen-Extrakt" versprachen die Schlagzeilen. Bei Psorigon handle es sich um das jahrhundertealte Rezept eines Indianers. Angeboten wurden ein sogenannter Psorigon Skin Regenerator, eine Psorigon Body Lotion und Psorigon Haarshampoo.
Die Präparate verkauften sich offenbar gut. Auch die SPVG erhielt zahlreiche Anfragen zu Psorigon. Selbst der exorbitant hohe Preis – 96,84 Mark für 100 Milliliter – hielt Schweizer Patienten mit Schuppenflechte nicht davon ab, Psorigon in Deutschland zu kaufen.
Dabei hätte schon eines misstrauisch machen sollen: Psorigon wurde als Kosmetikum verkauft, der Beipackzettel empfahl das Präparat nur allgemein zur Regeneration trockener und juckender Haut. Trotz des Namens Psorigon fehlte jeder Hinweis auf eine heilende Wirkung bei Psoriasis. Dieser Hinweis ist Arzneimitteln vorbehalten, die einer wesentlich strengerer Überprüfung unterstehen als Kosmetika.
Völlig ungerechtfertigt war der hohe Preis auch angesichts der Inhaltstoffe: Harnstoff, Eichenrinden- und Kakteenextrakt, Vitamin A, Kampfer und mehrfach ungesättigte Fettsäuren.
Die Redaktion der deutschen Zeitschrift "PSOaktuell" erhielt von der Vertriebsfirma weder Angaben über die Menge der einzelnen Stoffe noch über den angeblich "sehr guten Erfolg" bei Tests von britischen Hautärzten. Ebenfalls keine Antwort erhielt der Deutsche Psoriasis Bund, der sich bei der Firma nach den Namen der angeblich "führenden europäischen Forschern aus der Dermatologie" erkundigt hatte, die Psorigon entwickelt haben sollen.
Inzwischen wurde jedoch bekannt, dass Psorigon 0,02 Prozent nicht deklariertes Clobetasolpropionat enthält, ein Kortisonpräparat der stärksten Klasse 4 mit sehr stark entzündungshemmender Wirkung. Psorigon wurde offenbar inzwischen in Deutschland aus dem Handel gezogen. Gemäss dem Deutschen Psoriasis Bund wurden auch bereits Klagen wegen Körperverletzung eingeleitet, weil es sich bei Clobetasolpropionat um einen rezeptpflichtigen Wirkstoff handelt.
Die Geschichte um Psorigon zeigt einmal mehr, dass bei angeblichen Wundermitteln gegen Psoriasis allergrösstes Misstrauen am Platz ist. Gerade Patienten mit einer chronischen Krankheit wie Schuppenflechte fallen leider nur allzu leicht skrupellosen Geschäftemachern zum Opfer.
Martin Stürzinger
Mit freundlicher Genehmigung von Martin Stürzinger, Autor der Schweizerischen Psoriasis- und Vitiligo-Gesellschaft (SPVG), entnommen dem SPVG-Journal, Heft 01/99.
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