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Wir haben uns auf der 50. Tagung der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft in Berlin umgehört, was es Interessantes für Menschen mit Schuppenflechte gibt. Im Vordergrund standen zum einen die Informationen über die neue Generation der Biologika, den IL-23 Blockern. Zum anderen wurde breit diskutiert, zu welchen Patienten bestimmte Psoriasis-Medikamente passen („Personalisierte Medizin“). Immerhin gibt es für die innerliche Therapie jetzt 17 Wirkstoffe; davon sind 11 Biologika (Stand Mai 2019). Aber es ging auch um das neu entdeckte "Entzündungs-Gedächtnis", ums Kinderkriegen und um die Psyche von Psoriatikern. Ja, der Artikel ist lang ? Aber du kannst in der Übersicht die Themen anklicken, die dich interessieren. IL-23 Blocker Zurzeit (Mai 2019) sind zugelassen: Tremfya, Skyrizi und Ilumetri. Die ersten beiden wirken ähnlich gut, wie die IL-17-Blocker, nur nicht so schnell. Das dritte Medikament wirkt deutlich schlechter (siehe unten). Keines ist bisher für die Behandlung der Psoriasis arthritis zugelassen. Praktisch ist, dass man sie nicht so oft spritzen muss: nämlich nur alle 8 bzw. 12 Wochen. Es wird vermutet, dass Schuppenflechte vor allem durch die Entzündungssignale des Interleukin 23 ausgelöst wird. Endgültig können das erst Langzeitstudien belegen. Schon jetzt sprechen einige Erfahrungen dafür: So gab es in den Studien Tremfya-Patienten, die noch 9 Monate nach dem Absetzen des Medikaments nahezu erscheinungsfrei blieben. Professor Marc Radtke verwies darauf, dass Stelara über viele Jahre nicht an Wirkung verliert, wie z.B. die TNF-Alpha-Blocker. Stelara sei zwar kein reiner IL-23 Blocker, sondern hemmt zugleich das IL-12. Trotzdem vermutet er, dass auch die reinen IL-23 Blocker langfristig ihre Wirkung beibehalten werden. Es wird sich zeigen, ob er recht hat. Nebenwirkungen: Vermutlich keine „Klasseneffekte“ Ein entscheidender Unterschied zu bisherigen Biologika: Bei den IL-23 Blocker sind bisher keine Nebenwirkungen beobachtet worden, die typisch für diese Klasse wären. Im Gegensatz zu den anderen Biologika: Bei den TNF-Blockern treten typischerweise vermehrt Infektionen auf oder erstmalig neue Psoriasis-Formen. Sie können außerdem eine schlummernde Tuberkulose aktivieren. Bei den IL-17 Blockern sind öfter Pilz- (Candida-) Infektionen beobachtet worden, z.B. in den Schleimhäuten. Auch Darmentzündungen waren häufiger. Da IL-23 Blocker erst seit 2018 zugelassen sind, gibt es noch keine Langzeiterfahrungen. Erfahrungsgemäß zeigen sich typische Nebenwirkungen aber schon in den Zulassungsstudien. Schließlich waren jeweils einige tausend Patienten daran beteiligt, so Prof. Andreas Körber. Sehr häufige Nebenwirkungen der IL-23 Blocker sind Infektion der oberen Atemwege; häufig gibt es Pilzinfektionen der Haut. Die aber, so Körber, würden bei den anderen Biologika ebenfalls vorkommen – teilweise häufiger. Behandelbar sind sie alle. Warum Nebenwirkungen? Biologika hemmen entweder das TNF-Alpha oder Interleukine. Deren Aufgabe ist es, Botenstoffe an das Immunsystem zu senden. Das machen sie, wenn sie einen ihnen bekannten Krankheitserreger im Körper entdecken. Manche senden auch falsche Signale: Damit rufen sie Autoimmun-Krankheiten wie die Schuppenflechte erst hervor. Genau das soll ein Biologikum verhindern. Durch die Blockade wird das Immunsystem aber auch nicht über neue Krankheitserreger informiert. Die können dann vermehrt auftreten. Deshalb sind bei allen Biologika Nebenwirkungen möglich – mehr oder weniger schwere, die mehr oder weniger häufig auftreten. Welches Medikament passt? Die Therapie der schweren oder mittelschweren Psoriasis kann heutzutage viel genauer an den Einzelfall angepasst werden, als noch vor einigen Jahren. Schon 2018 wurde darüber ausführlich diskutiert. In manchen Fällen muss das Medikament jedoch mehrmals gewechselt werden, bis ein passendes gefunden wird. Leider gibt es noch nicht den Wirkstoff, der ein Leben lang hilft, denn „das Immunsystem macht, was es will“, so Professor Marc Radtke. Bei zusätzlichen Krankheiten Verschiedene Tabellen zeigen, welcher Wirkstoff wann und bei wem eingesetzt werden darf und wann nicht. Manche Psoriasis-Medikamente helfen gleichzeitig gegen andere Krankheiten (z.B. des Darms). Andere dürfen nicht eingesetzt werden, wenn Patienten zusätzlich z.B. an Hepatitis, Herz-Kreislaufproblemen, Leber-oder Nierenschädigungen leiden. Wer ein Psoriasis-Präparat bekommen soll, sollte alle seine Krankheiten dem Arzt gegenüber offenlegen. Wenn Haut und Gelenke betroffen sind Wenn jemand Schuppenflechte gleichzeitig an Haut und Gelenken hat, kommt es darauf an, was vorrangig behandelt werden muss. Sind es die Gelenke (Psoriasis Arthritis = PsA), dann wirken TNF- Blocker immer noch am besten. Aus dieser Gruppe verbessern sich durch Cimzia die PsA-Symptome am besten. Auch die Haut heilt damit besser ab, als durch andere TNF-Blocker. Etwas weniger gut bei PsA wirkt Stelara. Wenn die Haut im Vordergrund steht, würde man eher zu IL-17-Blockern raten. Die wirken sehr gut auf die Haut, aber nicht ganz so effektiv auf die PsA. Wer nur an der Haut betroffen ist, kann gut mit Methotrexat (MTX), Skilarence oder einem IL-Blocker behandelt werden. Wenn's schnell gehen soll Psoriasis-Medikamente wirken unterschiedlich schnell. Die Tabelle zeigt, wie lange es durchschnittlich dauert, bis bei 25 Prozent der Patienten sich die Haut um 75 Prozent gebessert hat (PASI 75): Daten von 2019* 2013 Taltz 2,18 Methotrexat (1x 7,5 mg, ab 2.Woche 15 mg) 3,2 Infliximab (z.B. Remicade) 3,37 3,5 Cosentyx 3,44 Adalimumab (z.B. Humira) 4,52 4,6 Stelara, 90 mg 4,6 Stelara, 45 mg 5,1 Cyclosporin A 5,63 6 Etarnercept (z.B. Enbrel) 100 mg 6,6 Etarnercept (z.B. Enbrel) 50 mg 9,5 Fumaderm 9,9 Methotrexat (langsame Dosis-Steigerung) 9,96 9,9 * Which antipsoriatic induction treatment sequence is the most time-effective? M.Zidane , C.Dressler , M.Gaskins , A.Nast, (Berlin, Germany), Poster 072 auf der SPIN 2019 Taltz wirkt am schnellsten; manchmal schon nach der ersten Injektion. Professor Ulrich Mrowietz nennt es das „Hochzeits-Medikament“. Das sind aber nur durchschnittliche Werte für ein Viertel der Patienten. Bei manchen kann es länger dauern, bei anderen schneller gehen. Weitere Informationen, wann eine Therapie sichtbar zu wirken anfängt, in einem Artikel von 2009. Bei Psoriasis-Sonderformen Manche Präparate haben sich bei schwierig zu behandelnden Formen als wirkungsvoller erwiesen als andere: Das sind z.B. bei Nagelbefall Adalimumab, Tremfya und Otezla, beim Juckreiz ebenfalls Otezla, bei der Genital-Psoriasis Taltz und bei Bläschen an Händen und Füßen (Psoriasis pustulora palmoplantaris) der IL-23 Blocker Tremfya. Wie gut wirken einzelne Medikamente? Auf Kongressen werden stets viele Vergleichszahlen genannt. Bei gesponserten Veranstaltungen steht meist der firmen-eigene Wirkstoff im Vordergrund. Eine erste unabhängige Auswertung gibt es von Cochrane. Aber die verwendeten Daten enden 2016. So konnten weitere, seitdem zugelassene Medikamente nicht berücksichtigt werden. Professor Kamran Ghoreschi stellte deshalb einen Vergleich der Biologika vom März 2019 vor, der die Cochrane Studie bestätigt und ergänzt. Beide Auswertungen berücksichtigen nur die Anfangsphase. Die Tabelle gibt nicht wieder, dass einige Medikamente länger brauchen, bis mehr Patienten einen PASI 90 erreichen – Cimzia z.B. 16 Wochen. Wirksamkeit von Biologika nach 10-12 Wochen Anteil der Patienten mit einer Hautverbesserung von 90% (PASI 90) Skyrizi 72,2 % Kyntheum 71,1 % Taltz 70,9 % Tremfya 67,4 % Cosentyx 60,7 % Stelara 44,8 % Adalimumab (z.B. Humira) 44,4 % Ilumetri 200 mg 38,8 % Cimzia 400 mg 34,0 %* Etanercept (z.B. Enbrel) 18,2 % Otezla 12,5 % Skilarence 12,1 % Die gleiche Reihenfolge ergibt sich für Verbesserungen um 50, 75 und 100 Prozent. Quellen: The Comparative Efficacy for Novel Treatments of Moderate to Severe Plaque Psoriasis: A Network Meta-Analysis, April W. Armstrong et.al. 2019 * Certolizumab pegol for the treatment of chronic plaque psoriasis, Mark Lebwohl et.al. 2018 Abgestufte Wirkung In der Cochrane-Auswertung heißt es zusammenfassend: Mit Biologika erreichen deutlich mehr Patienten einen PASI 90 als mit anderen Medikamenten. IL-Blocker wirken deutlich besser auf die Schuppenflechte als TNF-Blocker – außer Cimzia (siehe Tabelle). Otezla wirkt besser als Methotrexat oder Ciclosporin. Die Wirkung hängt auch davon ab, ob ein Patient mit einem Biologikum vorbehandelt wurde. Stelara wirkt dann z.B. weniger gut, bei Kyntheum spielt es keine Rolle. Innerlich behandeln, trotz geringem PASI Wer an nur wenigen, aber markanten Stellen eine Schuppenflechte hat, sollte ebenfalls mit innerlichen Medikamenten behandelt werden. Darauf verwies Dr. Ralph von Kiedrowski. Das sind vor allem: deutlich sichtbare Areale (Hände, Arme, Gesicht, Ohren, Hals) Genital-und / oder Anal-Bereich, Hand- und und Fußflächen, Finger- und Zehen-Nägel, bei schwerem Juckreiz und bei schwer zu behandelnden Plaques. Obwohl diese Patienten einen niedrigen PASI-Wert haben, können markante Stellen ihre Lebensqualität wesentlich verschlechtern: andere Menschen ekeln sich und vermeiden, sie zu berühren; das Sexualleben ist massiv gestört; die Bewegung ist eingeschränkt, was zu Problemen im Beruf, Alltag und Freizeit führt, ständiges Kratzen führt zu Schlaflosigkeit und sozialem Rückzug; nicht abheilende Stellen können sich verschlimmern. Die Patienten sind oft krankgeschrieben. Betroffene sollten unbedingt auf diese Areale aufmerksam machen. Sie sollten der Ärztin sehr ausführlich schildern, welche Probleme für sie persönlich mit diesen Psoriasis-Stellen verbunden sind. Das erleichtert es zu begründen, weshalb teure innerliche Medikamente notwendig sind. "Erstverschlimmerung" unter Biologika? Am Anfang einer Biologika-Therapie kann es dazu kommen, dass sich der Zustand der Haut verschlechtert. Dr. Ralph von Kiedrowski rät, in so einem Fall die Therapie nicht sofort abzubrechen, sondern abzuwarten. Ansonsten würde man ein Medikament „zu schnell verschleißen“ und damit langfristig eine geringere Auswahl haben. Langzeit-Folgen durch eingeschränkte Lebensqualität Hautpatienten, die innerlich behandelt werden sollen, werden auch danach gefragt, wie die Krankheit ihr Leben einschränkt. Dafür gibt es einen DLQI-Fragebogen. Praktiker kritisieren, dass einige Fragen nichts mit dem Leben ihrer Patienten zu tun haben: nicht jeder macht Haus- oder Gartenarbeit, treibt Sport, ist berufstätig bzw. studiert oder ist sexuell aktiv. Viele Einschränkungen werden nicht abgefragt, z.B. wenn man sich nicht mehr unter Menschen traut, man bestimmte Bewegungen nicht mehr machen kann oder andere sich von einem abwenden. Psychische Probleme kommen bei der Auswertung überhaupt nicht vor. Wenn jemand wegen einer Krankheit über längere Zeit eingeschränkt ist, nicht alles machen kann, was er will und sich von Menschen zurückzieht, kann das dauerhafte Folgen haben – für seine Persönlichkeit und sein gesamtes Leben. Professor Marc Radtke spricht von „Langzeit-Schäden“. Damit sich die nicht verfestigen, müsse so früh wie möglich behandelt werden. Dreiviertel aller Patienten würden bei einer erfolgreichen Therapie ihre Lebensqualität komplett zurückerhalten. Radtkes Hinweis kann auch als Apell an diejenigen verstanden werden, die es aufgegeben haben, sich behandeln zu lassen. Entzündungs-Gedächtnis verhindern Erst seit kurzem weiß man, dass es Gedächtniszellen (Tissue Resident Memory Cells – TRM) sind, die die Psoriasis immer wieder neu aufflammen lassen. Schuppenflechte ist eine Fehlfunktion des Immunsystems. Wie das genau funktioniert, hatte Professor Jörg Prinz 2015 herausgefunden: Dem Immunsystem werden angeblich krankheitserregende Anti-Gene präsentiert, die es dann bekämpft. Im Laufe der Zeit „lernt“ das Immunsystem, auf diese Moleküle immer wieder mit Entzündungen zu reagieren. Das „Lernen“ findet in Gedächtniszellen (TRMs) statt. Professor Andreas Körber berichtete, je schwerer eine Schuppenflechte ist, desto mehr TRMs könne man messen. Selbst, wenn die Haut nach erfolgreicher Behandlung erscheinungsfrei war, wurden TRMs festgestellt. Bei Psoriatikern, die noch nicht so lange erkrankt waren, fanden sich dagegen weniger davon. Das heißt, so Körber, bei denen war das Entzündungsgedächtnis noch nicht voll entwickelt. Das spricht dafür, eine Psoriasis möglichst früh und möglichst effektiv zu behandeln. Aber: bisher konnte nur für die IL-23 Blocker festgestellt werden, dass sie die TRMs beeinflussen. So erklärt sich, weshalb Patienten 28 - 72 Wochen fast erscheinungsfrei blieben (PASI 90), obwohl der Wirkstoff abgesetzt wurde. Das waren, so Körber, diejenigen, die noch nicht so lange an Schuppenflechte erkrankt waren. Bei ihnen hätte sich das auslösenden Anti-Gen noch nicht endgültig im Entzündungs-Gedächtnis „eingebrannt“. Professor Marc Radtke geht davon aus, dass man den gesamten Krankheitsverlauf eines Psoriatikers „in den Griff bekommen“ könne, wenn frühzeitig behandelt wird. TRMs sind übrigens auch bei Vitiligo festgestellt worden. Kinder kriegen Schwangerschaft Kein Psoriasis-Medikament ist für Schwangere zugelassen. Aber lässt sich die Behandlung mit einem innerlichen Wirkstoff nicht vermeiden, ist Cimzia® das sicherste. Nur bei diesem Biologikum dürfen Babys gleich nach der Geburt geimpft werden! Darauf verwies Professor Ulrich Mrowietz. Zwar wurden den Psoriasis-Registern keine auffälligen Probleme gemeldet, wie Fehlgeburten, Missbildungen o.ä. Aber niemand weiß wirklich, wie viel von den anderen Wirkstoffen durch die Nabelschnur oder die Muttermilch zum Baby gelangt. Fruchtbarkeit Die meisten Warnungen im Beipackzettel, Männer sollten während der Einnahme des Medikaments keine Kinder zeugen, scheinen unbegründet. Dr. Jean-Pierre Allam wies auf eine britische Studie hin, dass es trotz MTX-Einnahme keine Auffälligkeiten gab. Wer dagegen wegen seiner Psoriasis Arthritis mit innerlichem Kortison behandelt wurde, sollte drei Monate vor der Zeugung den Wirkstoff absetzen. Vorsichtig äußerte sich Dr. Sonja Grunewald: Nach den vorliegenden Registerdaten und Studien an Affen sind alle Arten von Biologika „wahrscheinlich nicht fruchtbarkeits-beeinträchtigend“. Bei Janus-Kinase-Hemmern wie Xeljanz geht man dagegen davon aus, dass sie die Fruchtbarkeit des Mannes beeinträchtigen und genverändernd wirken können. Hautpflege bei Erscheinungsfreiheit In der Apotheke hergestellte Präparate sind sinnvoll, wenn es keine zugelassenen Fertigarzneimittel gibt oder Patienten etwas nicht vertragen. Die Leitlinie gibt Rezeptur-Empfehlungen unter anderem für Psoriasis an Hand- und Fußflächen und auf dem Kopf, bei starkem Juckreiz, zur Vorbereitung einer PUVA-Bestrahlung oder zur Abschuppung. Kortisone (Kortikosteroide) werden wohl am meisten zur Entzündungshemmung angerührt. Zink oder Ölschiefer (Ichthyol) können aber ebenfalls gut wirken, so Professorin Petra Staubach-Renz. In der Leitlinie wird bei chronisch entzündlichen Hauterkrankungen eine Basistherapie (Hautpflege) als “fester Bestandteil des Therapiekonzeptes“ empfohlen. Das gilt auch für Biologika-Patienten, die fast keine Hauterscheinungen haben, so Staubach-Renz. Was sie nicht sagte: Betroffene, die sich daran halten wollen, müssen sich meist selbst sachkundig machen. Was ist die „richtige“ Hautpflege für Psoriatiker? Es gibt viele falsche Vorstellungen darüber. Schuppenflechte und Psyche Psoriasis psychisch verursacht? Ein Auslöser für Schuppenflechte kann ein traumatisches Lebensereignis sein. Dafür gibt es viele Hinweise, aber keinen wissenschaftlichen Nachweis. Darauf verwies der Diplom-Psychologe Dr. Kurt Seikowski. Für ihn sind Auto-Immunkrankheiten wie die Schuppenflechte ein psycho-somatisches Signal: In der „Sprache des Körpers“ macht es Sinn, bei bestimmten psychischen Belastungen Hautsymptome zu entwickeln. Durch Psychotherapie, so Seikowski, könne man die damit verbundenen Belastungen vermindern. Dass schon Babys Autoimmunkrankheiten entwickeln, erklärte Professor Uwe Gieler mit Depressionen der Schwangeren, die nachgewiesenermaßen auf das Neugeborene wirken würden. Dieser Ansatz wird in zwei grundlegende Bücher ausführlich erklärt: Die berührungslose Gesellschaft Die Haut und die Sprache der Seele: Hautkrankheiten verstehen und heilen Stimmung vom Immunsystem gesteuert? Einen völlig anderen Ansatz vertritt Professor Kai G. Kahl. Seit einigen Jahren zeigt er, dass Stress die gleichen Botenstoffe aussendet, wie das Immunsystem bei Schuppenflechte. Die Krankheit würde die Betroffenen sehr stressen. Aber es funktioniere auch umgekehrt: Je mehr Entzündungsbotenstoffe wie TNF oder IL im Körper festgestellt wurden, desto eher könne sich eine Depression entwickeln. Weil die gleichen Botenstoffe freigesetzt werden, wie bei Depressionen. Menschen, die mit Biologika behandelt wurden, seien euphorisch geworden. Ihre depressiven Symptome hätten sich deutlich verbessert. Biologika hemmen die Produktion von Botenstoffen, die Entzündungen und Depressionen verursachen. Siehe dazu: Mit Entzündungshemmern gegen Depression Kahl liefert weitere Argumente dafür, Schuppenflechte möglichst früh zu behandeln: Je länger die Erkrankung anhält, desto eher riskiere man eine Depression. Besonders dann, wenn der Genitalbereich betroffen sei. Erektionsstörungen wären, so Kahl, bei Psoriatikern weit verbreitet. Generell sind etwa ab dem 30. Lebensjahr neuro-psychologische Veränderungen beobachtet worden. Menschen mit Psoriasis seien 2 bis 3 x so häufig von echten Depressionen und Angsterkrankungen betroffen wie der Bevölkerungsdurchschnitt. Glücklichsein selbst erarbeiten? Barbara Schuster stellte eine Studie der TU München vor: Patienten mit Psoriasis und Neurodermitis fühlen sich danach besonders unglücklich. Dagegen, so Professorin Corinna Pfeifer, könnten die Betroffenen etwas machen: positive Gefühle entwickeln, angenehme Momente genießen, guttuende Beziehungen pflegen, sich selbst Ziele setzen; also insgesamt seinem Leben einen Sinn geben – trotz Krankheit! Es gibt viele Konzepte, um optimistischer, zufriedener und beschwerdefreier zu werden: Glücks- oder Dankbarkeits-Tagebuch über 10 Wochen führen. Flow-Erleben, d.h. sich völlig in eine Tätigkeit oder ein Amt vertiefen, z.B. bei Malen, Sport oder sozialem Engagement. Stress vermindern durch Achtsamkeit (Mindfulness-Based-Stress-Reduction). Der Augenblick wird bewusst erlebt, akzeptierend und nicht wertend mit einer liebevollen Grundhaltung. Kurse werden von Krankenkassen bezuschusst. Geben ohne Gegenleistung (Random Act of Kindness), d.h. man macht irgendjemanden eine Freude, ohne zu erwarten, dass die oder der etwas zurückgibt. Eine Zuhörerin vom Uniklinikum Schleswig-Holstein berichtete, dass Patienten zufriedener aus dem Gespräch gehen würden, wenn sie selbst Zufriedenheit ausstrahlt: Glücklichsein könne anstecken! Werbung in der Stadt Während des Kongresses sah man überall in Berlin Plakate: Pharmafirmen warben damit, dass Psoriasis behandelbar sei. Nun ist Werbung für verschreibungspflichtige Medikamente in der Öffentlichkeit verboten. Aber es ist scheinbar nicht ausdrücklich verboten, indirekt dafür zu werben: Indem eine Firma darauf verweist, dass sie Medikamente gegen Schuppenflechte anbietet. Wer sich davon betroffen fühlt, wird dann beim Arzt nach einem Medikament dieses Anbieters fragen. Der Fachbegriff dafür ist Content-Marketing. Es gehört schon lange zur Werbe-Strategie von Pharmafirmen, Patienten direkt anzusprechen, ohne Umweg über den Arzt. Aufgeschnappt Jeder Patient hat seinen eigenen Krankheitsverlauf, wie ein Fingerabdruck. (Professor Marc Radtke, Hamburg) Die große Angst ist ausgeblieben, dass TNF-Alpha Blocker krebserregend sein könnten. (Professor Kamran Ghoreschi, Berlin) Frauen und Übergewichtige brechen eine Psoriasis-Therapie eher ab als andere Patientengruppen. (Professor Ulrich Mrowietz, Kiel) Je höher bei Männern der Testesteron-Spiegel war, desto schwächer war ihre Psoriasis. (Dr. Dagmar Wilsmann-Theis, Meckenheim) Die Psoriasis pustulosa ist vermutlich keine echte Schuppenflechte. Bei ihr werden völlig andere Botenstoffe aktiv, wie z.B. das IL 36. (Professor Diamant Thaci, Kiel) Das Mikrobiom der Haut ist schwerer zu untersuchen als das des Stuhls. Es ist außerdem im Laufe des Jahres unterschiedlich. (Prof. Claudia Traidl-Hoffmann, München) Produkte, die uns aufgefallen sind Cera VE ist eine feuchtigkeits-spendende Creme bzw. Lotion. Es wird mit einem speziellen Verfahren geworben, durch das sich Inhaltsstoffe wie Hyaloron verzögert in der Haut freisetzen sollen. Dadurch bleibe sie länger feucht. Eigentlich für Neurodermitiker gedacht, kann sie auch denjenigen helfen, die z.B. harnstoff-freie Pflegemittel suchen. Hersteller: LʹORÉAL Deutschland Cetaphil Pro Itch Control ist eine Serie für sehr trockene und juckende Haut. Sie wird angeboten z.B. als Lotion, Pflegeschaum, als Creme fürs Gesicht oder die Hand. Wer einen leichten Juckreiz hat, kann ausprobieren, wie gut es einem hilft. Hersteller: Galderma Laboratorium Clarelux (Wirkstoff Clobetasol) ist ein verschreibungspflichtiger Schaum zur Behandlung der Kopf-Psoriasis. Auch in 2019 kann der Hersteller das Präparat noch nicht anbieten. Wir haben darüber ausführlich berichtet. Der Firma ist bewusst, dass viele Patienten langfristig auf ein anderes Präparat wechseln werden. Hersteller: Pierre Fabre Dermo-Kosmetik Deflatop (Wirkstoff Betamethason) ist ein verschreibungspflichtiger Schaum zur Behandlung der Kopf-Psoriasis. Der Hersteller kündigte ein "Comeback" für den Sommer 2019 an. Hersteller: Holsten Pharma Ducray SENSINOL soll beruhigend wirken und „sofort“ den Juckreiz lindern. Der Hinweis auf „Studien“, die das belegen stellt sich als eine „interne“ Untersuchung heraus, die nie veröffentlicht wurde. Trotzdem kann man die Pflege- Lotion bzw. -Milch bei leichtem Juckreiz ausprobieren. Hersteller: Pierre Fabre Dermo-Cosmétique Eucerin Urea Repair Plus ist eine Serie mit unterschiedlichen Harnstoff-Konzentrationen von 3 bis 30 Prozent. Sie wird angeboten z.B. als Lotion und als Creme für Körper, Gesicht und Hände. Anbieter: Beiersdorf HELIOCARE 360 ist ein Sonnenschutz mit Faktor 100+. Das ist für diejenigen, die sich wirklich schützen müssen, z.B. wegen einer aktinischen Keratose im Gesicht aufgrund früherer Sonnenbestrahlungen. Das reine Sonnenschutz-Mittel gibt es in verschiedenen Darreichungsformen. Anbieter: IFC Dermatologie Deutschland LETI balm ist eine Serie für die trockene und schuppige Haut. Sie wird angeboten z.B. als Creme und Fluid, auch speziell für Kinder und Jugendliche. Eigentlich für Neurodermitiker gedacht, kann sie auch denjenigen helfen, die z.B. harnstoff-freie Pflegemittel suchen. Hersteller: Laboratorios LETI Protopic wird bis Ende Mai wieder lieferbar sein. Die Salbe ist zwar nicht für Psoriasis zugelassen. Aber einige Ärzte verschreiben sie „off-label“, weil sie z.B. auch bei der Nagel-Beteiligung wirksam sein soll. Hersteller: Leo Pharma TOLERIANE SENSITIVE ist eine Feuchtigkeitscreme, die vor allem das Mikrobiom der Haut regulieren soll. Das betrifft ein typisches Problem von Neurodermitikern. Das Pflegeprodukt kann aber denjenigen helfen, die z.B. harnstoff-freie Pflegemittel suchen. Hersteller: La Roche-Posay
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Die weltweit anerkannte Cochrane Collabration hat nach wissenschaftlichen Studien gesucht, die beweisen, wie gut Fumarsäureester bei Psoriasis hilft. Das Ergebnis ist ernüchternd, wenn auch nicht überraschend: Die Beweiskraft sei im Vergleich zum Placebo niedrig und zu Methotrexat sogar sehr gering. Langzeitwirkungen seien überhaupt nicht erforscht, schreiben die Experten. Dem widersprechen die Praktiker. So berichteten im Mai 2015 Mediziner der Universitäts-Hautklinik Bochum, dass bei ihren Patienten auch nach 12 Jahren die (gute) Wirkung von Fumaderm noch anhalte, ohne schwere Nebenwirkungen. Vor allem aber wegen aktuell bekannt gewordener, möglicher gefährlicher Nebenwirkungen des Hauptwirkstoffes sind wissenschaftliche Studien trotzdem dringend erforderlich. Cochrane-Gesellschaft untersucht Fumararsäureester Die Cochrane Collabration ist ein globales Netzwerk von Medizinern und Ärzten, das medizinische Therapien bewertet. Es ist bekannt für seine völlige Unabhängigkeit. Aufsehen erregten zum Beispiel die Aussagen zu Tamiflu in 2014: Als der Pharmakonzern Roche endlich alle Studiendaten herausrückte, stellte sich heraus, dass das Medikament fast nutzlos ist und mehr Nebenwirkungen hat als bis dahin angenommen. Für dieses Mittel hatten aber viele Staaten Millionen ausgegeben, um gegen die Schweinegrippe gewappnet zu sein. Im August 2015 veröffentlichte dieses Netzwerk das Ergebnis seiner Recherche zu Fumarsäureestern (FSE). Alle wichtigen Datenbanken und Tagungsveröffentlichungen wurden nach randomisierten kontrollierten Studien durchsucht. Nur die – so die evidenzbasierte Medizin (ebM) – könnten nachweisen, dass eine medizinische Behandlung wirksam ist. Bis zum 7. Mai 2015 waren das weltweit lediglich sechs Studien (zwei vollständige Berichte, zwei Zusammenfassungen, eine Kurzmitteilung und ein Brief) mit insgesamt 544 Teilnehmern. Alle sechs Studien, so die Cochrane-Wissenschaftler, hätten berichtet, dass sich die Psoriasis durch FSE verringert habe. Man könne aus den Daten interpretieren, dass FSE gegenüber Placebos einen PASI 50 erreiche – das heißt, dass die Psoriasis um die Hälfte zurückgeht. Bessere Ergebnisse wie etwa ein PASI 75 würden zwar in zwei Studien genannt, könnten aber statistisch nicht bestätigt werden. In keiner der Studien sei PASI 90 gemessen worden, so die Cochrane-Experten. In einer Studie erwies sich Methotrexat (MTX) zwar dem FSE überlegen. Aber diese bessere Wirkung des MTX hob sich nach statistischen Bereinigungen wieder auf. Zahl der Studien-Abbrecher unklar Es sei nicht zu ermitteln gewesen, wie hoch der Anteil von Abbrechern wegen Nebenwirkungen gewesen sei. In einer Studie hätten Patienten durch Fumarsäureester fast fünf Mal häufiger starke Nebenwirkungen entwickelt als in der Placebo-Vergleichsgruppe. Die häufigsten waren Durchfall und Bauchkrämpfe, Flushs (Hitzewallungen), rückgängig zu machende Proteinverluste über den Urin und erhöhte Werte von weißen, eosinophilen Blutzellen. Ernsthafte Nebenwirkungen seien während der 12 bis 16 Wochen Studiendauer nicht aufgetreten. Alle sechs Studien bzw. Berichte wurden hinsichtlich ihrer Beweiskraft als „mäßig“ oder „gering“ bzw. „sehr gering“ qualifiziert. Bis auf zwei Studien hätten zu wenig Patienten daran teilgenommen, so dass Zufallsergebnisse möglich seien. Darüber hinaus hätte es aus heutiger Sicht sehr viele Ungenauigkeiten und nicht vergleichbare Daten gegeben. Die meisten Untersuchungen seien vor Jahrzehnten durchgeführt oder unvollständig erfasst worden. In mehreren Studien blieb unklar, ob die Beteiligten durch Verbindung zur Pharmaindustrie befangen gewesen sein könnten (Interessenkonflikte). Die Autoren fordern Studien, die nach heutigem wissenschaftlichen Standard nachweisen, wie FSE auf Psoriasis wirkt. Dazu gehören klare PASI-Erhebungen und geprüfte Lebensstandard-Fragebogen. Vor allem müssten die Beobachtungszeiträume länger sein bzw. nach einem längeren Therapiezeitraum wieder aufgenommen werden. Nur so könnten langfristig auftretende Nebenwirkungen erfasst werden. Kommentar Das Ergebnis ist keine Überraschung. Als Fumaderm 1995 in Deutschland gegen Psoriasis zugelassen wurde, wurde noch nicht verlangt, Wirkung, Nebenwirkung und Risiken durch aufwendige Studien zu belegen. Seit vielen Jahren ist Fumaderm (nur) in Deutschland ein „Blockbuster“: Es ist das Medikament, das bei der innerlichen Therapie der Psoriasis am meisten verschrieben wird. Hautärzte und Patienten bestätigen täglich in der Praxis, dass es gut wirkt. Umfragen wie die erwähnte aus Bochum bekräftigen diese Erfahrungen. Bei so viel praktischen Erfolgen gäbe es eigentlich keinen Grund, weshalb der Hersteller Biogen jetzt noch aufwendige, teure Studien in Auftrag geben soll. Wenn da nicht die Kritiker mit ihren seit Jahren geäußerten Zweifeln wären. Das sind vor allem die Mediziner der Stiftung Warentest, des arznei-telegramms und der Zeitschrift „Gute Pillen – schlechte Pillen“. Deren Bewertungen haben Gewicht, weil sie zu den selten gewordenen, absolut (Pharma) Unabhängigen zählen. Sie fordern seit langem genau solche Studien, wie sie jetzt im Sommer 2015 ebenfalls die anerkannte Cochrane Collabration anmahnt. PML erkennen, verhindern oder minimieren Dabei sollte es aus unserer Sicht vorrangig darum gehen, die offensichtlichen Nebenwirkungen von Fumaderm zu erforschen: Bei welchen Patientengruppen treten welche auf? Bei wem sind sie dauerhaft, bei wem vorübergehend und wie lange? Wissenschaftlich ist ebenfalls unklar, bei welcher Lymphozyten-Zahl (und eventuell welcher Untergruppe) die Therapie abgebrochen werden muss. Und aktuell, durch welche weitere Maßnahmen das Risiko einer lebensbedrohlichen PML durch den eigentlichen Wirkstoff in Fumaderm, Dimethylfumarat (DMF), erkannt, verhindert oder minimiert werden kann. Seit 2013 werden verstärkt PML-Fälle bei Fumaderm-Patienten bekannt. Der Hersteller Biogen verweist darauf, dass Patienten keine Gefahr droht, wenn sie regelmäßig ihre Lymphozyten-Werte überprüfen lassen. Für die große Mehrheit reicht das aus. Aber in extrem seltenen Fällen (!!!) ist das fraglich geworden: Im Mai 2015 wurde der Fall einer niederländischen Psoriasis-Patientin veröffentlicht, die ohne zu geringe Lymphozytenwerte an PML gestorben ist. Sie wurde mit DMF behandelt. Aus Deutschland wurde im Juni 2015 der Fall eines weiteren Psoriasis-Patienten bekannt, der ebenfalls mit DMF behandelt wurde. Er ist an PML erkrankt, trotz normaler Lymphozyten-Anzahl und obgleich zwei Labore keine entsprechenden PML-Marker im Blut fanden. Genau dieses Phänomen ist vorher schon bei Patienten mit Multipler Sklerose beobachtet worden, die mit Tysabri (Natalizumab) behandelt wurden. Darüber berichten wir demnächst an anderer Stelle ausführlich. Evidenzbasierte Studien zu Fumarsäureester gefordert Die Forderung der Cochrane Collabration nach evidenzbasierten Studien wird durch diese aktuellen Fälle bekräftigt: Ärzte wie Patienten wollen klar wissen, worauf sie achten müssen, um dem Verdacht auf PML nachzugehen. Im April 2015 wurden mehrere PML-Fälle unter Fumaderm bekannt. Bis heute hat der Hersteller nicht veröffentlicht, wie es dazu kommen konnte. Zwei Jahre zuvor wurden drei PML-Fälle unter Fumaderm noch mit "Behandlungsfehlern" erklärt. Die Tatsache, dass sich PML bei (extrem wenigen!) Fumarat-Patienten auch ohne auffällige Blutwerte und ohne PML-Marker entwickeln kann, wurde bisher stillschweigend übergangen. Stattdessen hat man dem Psoriasis-Netz vorgeworfen, mit seinen Berichten die Patienten zu verunsichern. Patienten und Ärzte sollten deutlicher als bisher detaillierte wissenschaftliche Studien zu Fumarsäureestern fordern.