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Schwere Nebenwirkung von Fumaderm und Psorinovo berichtet
Rolf Blaga posted an article in Dimethylfumarat
Ausgerechnet kurz vor der Zulassung des Wirkstoffs Dimethylfumarat im Medikament Tecfidera für die Behandlung der Multiplen Sklerose in Europa gab es für den Hersteller Biogen Idec schlechte Nachrichten: Fumaderm – das Psoriasis-Medikament, in dem der gleiche Wirkstoff steckt – kann zu einer PML führen – zu einer "progressiven multifokalen Leukoenzephalopathie". Das ist eine Erkrankung des zentralen Nervensystems, bei der sich Mark aus dem Groß- und Kleinhirn sowie aus dem Hirnstamm zurückbildet. Folge sind Störungen des Bewegungsapparats und des Gehirns. Letzteres kann sich in Sprachstörungen, Konzentrationsstörungen, Verwirrtheit, Demenz oder epileptischen Anfällen zeigen. Ursache ist meist ein Virus, dem das Immunsystem nicht mehr genügend Widerstand entgegensetzen kann, weil es zu geschwächt ist. Wegen PML-Fällen war seinerzeit das erste Biologikum Raptiva vom Markt genommen worden. Das arznei-telegramm 5/13 vom 10. Mai 2013 schrieb dazu: “Beim derzeitigen Kenntnisstand raten wir von der Einnahme [von Fumaderm] ab.“ Noch in der vorherigen Ausgabe war sich die Redaktion uneinig, ob sie es für Psoriatiker empfehlen solle. Aus Sicht des arznei-telegramms gibt es für Fumaderm weder zum Nutzen noch zur Sicherheit verlässliche Daten, aber eine hohe Abbrecherquote. Das Psoriasis-Netz berichtete darüber. Der FUMADERM-Anbieter Biogen Idec wurde kritisiert: „Die Fachinformation spiegelt den Kenntnisstand zu den Risiken des Mittels nicht adäquat wider“. Der Aufsichtsbehörde BfArM wird „Untätigkeit“ vorgeworfen. Auf der anderen Seite wehrt sich Biogen Idec: Das Risiko sei extrem selten und darauf zurückzuführen, dass die Ärzte Fumaderm weiter verschrieben hätten, obgleich die Lymphozyten-Zahl zu stark abgesunken war. Was war geschehen? Der erste Fall Professor Jörg B. Schulz von der Uniklinik für Neurologie in Aachen berichtet im New England Journal of Medicine gemeinsam mit seinem Kollegen Professor Joachim Weis über einen 74-jährigen Patienten. Er hatte drei Jahre lang Fumaderm eingenommen. Zuvor war seine Schuppenflechte mit Kortisonsalben, Acitretin und Methotrexat behandelt worden. Im Juli 2010 entwickelte der Patient Sprachstörungen. Eine Untersuchung des Gehirns im Magnetresonanztomographen zeigte schließlich die PML. Im Blutbild hatte sich ein Jahr nach Beginn der Fumaderm-Behandlung eine Lymphozytopenie bemerkbar gemacht - ein Mangel an Lymphozyten. Der Hersteller empfiehlt in solch einem Fall deinen Abbruch der Therapie. Dennoch wurde die Therapie mit Fumaderm fortgesetzt, bis zwei Jahre später die PML diagnostiziert wurde. Zu diesem Zeitpunkt nahm der Patient neben Fumaderm nur noch ein Medikament gegen Prostata-Vergößerung. Als PML diagnotstiziert wurde, wurde die Fumaderm-Behandlung abgebrochen. Fünf Monate später ging es dem Patienten besser - auch wenn noch immer Sprachstörungen vorlagen. "Die Langzeit-Behandlung mit Fumarsäureestern und der vorherigen Therapie mit anderen Immunsuppressiva kann das Risiko des Patienten für eine PML erhöht haben", erklärt Jörg B. Schulz. Der zweite Fall Hier berichten Bob W. van Oosten und Kollegen vom VU University Medical Center in Amsterdam (Niederlande) über den Fall einer 42-jährigen Frau. Sie hatte wegen einer Psoriasis seit 2007 Psorinovo genommen - ein Medikament mit dem Wirkstoff Dimethylfumarat. Dieser Wirkstoff ist auch in Fumaderm enthalten und soll unter dem Markennamen Tecfidera für die Behandlung der Multiplen Sklerose europaweit zugelassen werden. Die Patientin nahm außerdem täglich Vitamin-C-Pulver und Fischölkapseln ein. Die Frau war im November 2012 wegen einer Lähmung der rechten Körperhälfte zu den Ärzten gekommen, um eine zweite Meinung einzuholen. Der Verdacht einer Multiplen Sklerose stand im Raum. Wieder zeigte die Untersuchung im Magnetresonanztomographen eine PML. Und wieder zeigte sich m Blut eine Lymphopenie. "Wir glauben, dass die Behandlung mit Psorinovo zur Entwicklung von PML bei unserer Patientin beitrug", schreiben Bob W. van Oosten und seine Kollegen. Die Lymphopenie sei eine bekannte Nebenwirkung von Psorinovo. Die Patientin habe vor dem Beginn der PML keine immunsuppressiven Medikamente verwendet - im Gegensatz zum ersten Fall mit Acitretin und Methotrexat. Reaktion des Herstellers Im New England Journal of Medicine reagieren drei Mediziner vom Hersteller Biogen Idec auf die Beiträge der deutschen und niederländischen Wissenschaftler. Sie weisen darauf hin, dass Psorinovo ein freiverkäufliches, nicht von der Zulassungsbehörde geprüftes Medikament sei und deshalb mit höheren Risiken verbunden wäre. In Fumaderm seien vier Bestandteile, von denen Dimethylfumarat nur einer sei. In Psorinovo dagegen könnten neben Dimethylfumarat auch andere Fumarsäureester enthalten sein. In den beiden Fällen hätten über längere Zeit eine Lymphopenie bestanden - zwei und fünf Jahre vor der PML-Diagnose. Biogen Idec nennt selbst zwei weitere Fälle von PML – beide mit starken Faktoren, die eine PML begünstigen können. In einem Fall war eine Sarkoidose (gefährliche Knötchen an Organen) mit Methotrexat und Kortison behandelt worden. Die PML wurde einen Monat nach Beginn einer Fumaderm-Therapie diagnostiziert. Der insgesamt vierte Patient schließlich war in der Vorgeschichte mit Efalizumab behandelt worden und hatte Krebs. Efalizumab war abgesetzt und die Fumaderm-Therapie begonnen worden. "Sarkoidose, Krebs und Efalizumab sind als Risikofaktoren für PML bekannt", so der Hersteller. Eine sinkende Leukozyten-Zahl sei eine häufige Nebenwirkung der Fumaderm-Behandlung. Eine schwere Form davon sei nur bei drei Prozent der Betroffenen aufgetreten. "Es ist wahrscheinlich, dass eine längere und schwerere Lymphopenie noch seltener auftritt", so der Hersteller. In den mehr als 180.000 Patientenjahren seien Berichte über PML selten gewesen. "Bei den beiden Patienten (aus den Berichten 1 und 2) könnte Fumaderm bzw. Psorinovo zur Entwicklung der schweren und lang andauernden Lymphopenie beigetragen haben", so Biogen Idec. Eine schwere Lymphopenie sei ein Risikofaktor für die Entwicklung einer PML. Eine regelmäßige Kontrolle der Blutwerte könne das Risiko senken. Im Medikament Tecfidera von Biogen Idec, das in den USA bereits zur Behandlung der MS zugelassen ist, steckt als Wirkstoff nur Dimethylfumarat. In klinischen Studien seien 2600 Patienten mit MS über bis zu vier Jahre mit dem Medikament behandelt und zwei Jahre danach immer wieder beobachtet worden. Dabei sei die mittlere Lymphozytenzahl um etwa 30 Prozent gegenüber dem Ausgangswert gesunken. Bei keinem Patienten gab es Hinweise auf ein erhöhtes Risiko von schweren oder opportunistischen Infektionen – und keine Berichte über PML. Kommentar Die Ärzte von Biogen Idec räumen ein, dass Fumaderm in den von ihnen genannten Fällen zu einem schweren und langanhaltenden Rückgang der Lymphozyten (Lymphozytopenie) geführt haben könne. Berichte über PLM seien "selten" gewesen – also muss es aber welche gegeben haben. In den jetzt bekannt gewordenen Fällen aus Deutschland und den Niederlanden stellen die Ärzte einen klaren Zusammenhang zwischen der Lymphozytopenie und der progressiven multifokalen Leukoenzephalopathie (PML) her. Das Risiko, unter der Einnahme von Fumaderm eine gefährliche PML zu bekommen, steht nicht im Beipackzettel - auch nicht als "sehr selten", als "Einzelfall" oder als mögliche Folge, wenn eine Lymphozytopenie zu lange toleriert wird. Das Biologikum Raptiva wurde 2009 vom Markt genommen, nachdem es weltweit drei PML-Fälle mit tödlichem Ausgang gab . Damals wies man darauf hin, dass dieses Virus in den USA weiter verbreitet sei als in Mitteleuropa. Biogen Idec wehrt ab. Bei „185.500 Patientenjahren an Erfahrung mit Fumaderm nach Zulassung“ sei das ein „sehr seltenes Ereignis“. Beim neuen MS-Medikament Tecfidera sei noch kein einziger Fall aufgetreten. Für die Überwachungsbehörden seien die Fälle „kein Thema“. Aber als Patient sucht man das Risiko, unter der Einnahme von Fumaderm eine gefährliche PML zu bekommen, vergeblich im Beipackzettel - auch nicht als "sehr selten", als "Einzelfall" oder als mögliche Folge, wenn eine Lymphozytopenie vom Arzt zu lange toleriert wird. Weder Ärzte noch Patienten wussten davon. Tecfidera ist in Europa noch nicht auf dem Markt, sondern wurde in kontrollierten Studien getestet. Da wird natürlich nicht weiterbehandelt, wenn die Blutwerte riskant sind. Als Patient erwartet man von den Aufsichtsbehörden, dass sie sich zu Fällen äußern, bei denen nach Zulassung ein schweres Risiko entdeckt wird – unabhängig davon, wie häufig es letztendlich ist. Aus Patientensicht ist es völlig unverständlich, dass nach eigenen Aussagen die Vertreter von Biogen Idec nicht mit der Redaktion vom arznei-telegramm reden. Ein wissenschaftliches Symposium, auf dem sich die Kontrahenten sachlich darüber streiten, wäre die richtige Reaktion. Die Patienten werden allein gelassen und müssen entscheiden, welchen Experten sie mehr glauben. „Glauben“ ist aber nicht das, was wir von einer evidenzbasierten Medizin erwarten, sondern wissenschaftliche Ergebnisse. Tipps zum Weiterlesen "Fumarsäure: Hirninfektionen in der Psoriasis-Behandlung" - Deutsches Ärzteblatt vom 26. April 2013 "Multiple Sklerose: Ärzte weisen auf mögliche Gefahren einer Therapie mit Fumarsäure hin" - journalMED vom 30. April 2013 -
In der Sendung plusminus vom 30. Januar 2012 hat die Autorin Ulrike Unfug darüber recherchiert, „Warum Medikamente vom Markt verschwinden“. Sie berichtet, dass Sanofi das Medikament Campath gegen Leukämie zurückgezogen hat. Danach wurde für den gleichen Wirkstoff (Alemtuzumab) eine Zulassung gegen Multiple Sklerose (MS) beantragt. Der Preis des MS-Präparats wird nach Experten-Schätzung 10-mal höher sein als der für das Leukämie-Präparat. Ein gut wirksames und preiswertes Medikament wurde vom Markt genommen, weil man mit der anderen Zulassung erheblich mehr verdienen konnte. Als weiterer Beleg für diese Praktik wurde das Vorgehen der Pharmafirma Biogen Idec genannt. Das Missverständnis entsteht dadurch, dass dem Zuschauer eine Fumaderm-Packung gezeigt wird. Er erfährt, dass dessen Hauptwirkstoff Dimethylfumarat ist. Durch Zufall habe man herausgefunden, dass dieser Wirkstoff sehr gut gegen MS hilft. Wörtlich heißt es dann: „Ähnlich wie in unserem ersten Fall, ist bei MS viel mehr zu verdienen. Das ist offenbar der Grund, weshalb der Hersteller die beantragte Zulassung für Schuppenflechte zurückzieht. Pharmariese Biogen Idec will das Medikament nun ausschließlich für MS auf den Markt bringen.“ Da vorher von keinem anderen Medikament gesprochen wurde, muss der Zuschauer davon ausgehen, Fumaderm sei gemeint. Aber das ist falsch. Selbstverständlich ist der (deutsche) Blockbuster Fumaderm weiterhin für Psoriasis zugelassen. Zurückgenommen hat Biogen Idec dagegen die Zulassung für das Nachfolge-Präparat, das 2005 unter dem Namen Panaclar vorgestellt wurde. Dabei handelt es sich um eine Mono-Substanz (nur Dimethylfumarat), die in den Studien auch als BG-12 bezeichnet wurde. Fumaderm dagegen ist ein Gemisch aus vier Fumarsäure-Ester-Substanzen. Der plusminus-Beitrag war die gekürzte Version. Das Original lief einen Tag vorher in der MDR-Umschau. In dem längeren Beitrag hat die Autorin korrekt berichtet, dass Fumaderm vier Wirkstoffe enthalte und der Hersteller „ein neues Medikament“ nur mit Dimethylfumarat plane. Wenn sie dann darauf verweist, dass die beantragte Zulassung für Schuppenflechte zurückgezogen wurde, ist klar, dass sie nicht Fumaderm, sondern das neue Medikament meint. Das Psoriasis-Netz hat seit 2005 über Dimethylfumarat als Psoriasis-Mono-Wirkstoff (Panaclar) berichtet. Die Erklärung, weshalb Biogen Idec den Wirkstoff BG-12 nicht mehr für Psoriasis anbieten will, haben wir unter dem Titel "Neues zur Psoriasis -Juli 2012" veröffentlicht. Es bleibt auch von unserer Seite die Kritik, dass den Menschen mit Psoriasis ein besser verträgliches Medikament vorenthalten wird, weil Fumaderm in Deutschland weiterhin profitabel ist und weltweit mit MS-Patienten mehr Geld verdient werden kann. In Deutschland liefen damals Studien der Firmen Almirall und Forward Pharma zur Anwendung von Dimethylfumarat bei Psoriasis. Inzwischen ist von ersterer Firma das Medikament Skilarence auf dem Markt. Das angesprochene Medikament von Biogen Idec zur Behandlung der Multiplen Sklerose heißt Tecfidera. Tipp zum Weiterlesen Über das Thema und den Fernsehbeitrag wurde auch in unserem Forum diskutiert.
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Hallo zusammen, ich möchte euch über meine Erfahrungen mit Fumaderm und Tecfidera erzählen. Ich habe vor Jahren hier im Forum über Dimethylfumarat (DMF) gelesen. Dabei bin ich auf folgende Meinungen gestossen: reines DMF hat weniger Nebenwirkungen als Fumaderm mit seinen verschiedenen Fumaraten (siehe Forumtitel: Neues von Dimethylfumarat (BG-12 / Tecfidera) bei MS). Einige Forenschreiber waren deshalb enttäuscht, dass das neue Medikament nur für MS und nicht für Psoriasis zugelassen wird. Ich leide an MS (mittlerweile EDSS 8.0) und ich habe auch Psoriasis (Ellbögen, Kopf, Po). Ich erhielt deshalb ab 2012 das Fumaderm verschrieben. Die Psoriasis verschwand innerhalb von Wochen, die Verschlechterung der MS stoppte innerhalb eines Jahres und blieb auf EDSS 8. Diesen Sommer wurde bei mir das Medikament Fumaderm gegen Tecfidera gewechselt und zwar bei identischer DMF Menge nämlich 480mg. Die Idee für den Wechsel war, die Nebenwirkungen im Darm zu reduzieren. Heute nun habe ich meine Neurologin gebeten dass ich wieder mit Fumaderm weitermachen kann, denn meine Psoriasis kehrte unter Tecfidera innerhalb von Wochen zurück und meine MS Symptome verschlechtern sich eher als sie sich bessern (was auch einfach eine Laune der MS sein könnte). Die Nebenwirkungen unter Tecfidera sind bei mir dieselben wie unter Fumaderm: Flush und Darmirritationen, die Reduktion auf nur eine Fumarsäure machte bei mir also keinen Unterschied. Für mich ist Fumaderm das ganz klar bessere Medikament gegen meine Psoriasis als die Monosubstanz Tecfidera. Bezüglich MS kann ich nichts sagen, da sind die Zusammenhänge zu ungewiss. Ich hoffe ich kann euch damit ein wenig von der Enttäuschung "Tecfidera nur für MS" nehmen. Liebe Grüsse MO
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Hallo an alle, habe gelesen, dass das nur für MS vorgesehene "Tecfidera" (verträglichere Variante von Fumaderm) von der EU-Behörde als neuartiges Medikament bei der Multiplen Sklerose zugelassen wurde. Das heißt, für 10 Jahre liegt ein Patentschutz auf dem Medikament und es dürfen keine Generika erscheinen. Wir müssen uns also erstmal von der Hoffnung verabschieden, ein besser verträglicheres Präparat mit Fumarsäure zu bekommen. Jetzt wird Biogen groß Kasse bei den MS-Kranken machen und wir stehen im Regen. Es ist zum Heulen !
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Neues von Dimethylfumarat (BG-12 / Tecfidera) bei MS
Claudia posted a topic in Fumaderm und Skilarence
Der Ausschuss für Human-Arzneimittel (CHMP) bei der europäischen Zulassungsbehörde EMA hat am 21. März 2013 selbiger die Zulassung von Dimethylfumarat bei Multipler Sklerose empfohlen. Bisher liefen die Studien unter dem Namen der Substanz BG-12, das fertige Medikament wird Tecfidera heißen. In der Regel dauert es etwa / maximal drei Monate, bis die EMA selbst über die Zulassung entscheidet. Zur Zulassung schreibt der CHMP selbst: http://www.ema.europ...tId=WC500140695 (leider nur englisch) Gruß Claudia- 5 replies
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Rote-Hand-Brief wegen Nebenwirkungen von Fumaderm
Claudia Liebram posted an article in Dimethylfumarat
Im Sommer 2013 bekam es jeder Arzt landauf landab schriftlich: Beim Wirkstoff Dimethylfumarat (enthalten z.B. in Fumaderm) ist Vorsicht geboten – und zwar, wenn die Zahl der Lymphozyten extrem abnimmt. Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) verschickte damals einen Rote-Hand-Brief an alle Ärzte. Der heißt so, weil darauf eine rote Hand abgebildet ist, die den Arzt auf ernstere Probleme aufmerksam machen soll. Absender des Briefes ist die Firma Biogen-Idec, Hersteller von Fumaderm. Im Frühjahr 2013 war mehrfach über einige Fälle schwerer Nebenwirkungen berichtet worden. "Der Hersteller weist auf das Risiko opportunistischer Infektionen bei schwerer, anhaltender Lymphopenie hin", heißt es von der AkdÄ. Das bedeutet: Wenn die Lymphozyten-Zahl dauerhaft viel zu niedrig (unter 500/µl) ist, drohen Infektionen, verursacht durch Keime. Die Fachinformation für Ärzte – eine Art ausführlicher Beipackzettel – sollte danach aktualisiert werden. Darin sollte dann konkret beschrieben werden, was im Falle einer Lymphopenie unternommen werden kann. Wichtig ist, was in der Fachinformation zu lesen ist: Vor der Behandlung ist das Blutbild (einschließlich Differentialblutbild sowie Blutplättchenzahl) zu kontrollieren: Bei Werten außerhalb des Normbereiches darf keine Behandlung erfolgen. Während der Behandlung sind regelmäßige Blutbildkontrollen durchzuführen (Leukozytenzahl und Differentialblutbild; in den ersten drei Monaten alle 14 Tage, danach bei unauffälligen Befunden monatlich). Bei starker Abnahme der Leukozytenzahl – insbesondere bei Werten unter 3000/μl – oder anderen pathologischen Blutbildveränderungen ist die Behandlung sofort abzubrechen. Blutbildkontrollen sind dann bis zur Normalisierung nötig. Die AkdÄ fordert zudem alle Ärzte auf, ihr alle Nebenwirkungen im Zusammenhang mit dem Wirkstoff mitzuteilen – auch, wenn es sich zunächst nur um einen Verdacht handelt. Diese Meldung kann auch online erfolgen. Das Fazit für alle Betroffenen, die Fumaderm einnehmen: Die regelmäßigen Laborkontrollen sollten ernst genommen werden - wie oben beschrieben anfangs alle 14 Tage, nach drei Monaten und wenn alles in Ordnung ist, nur noch einmal im Monat.- 2 comments
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Das Medikament Fumaderm wird gegen schwere Fälle von Schuppenflechte eingesetzt. Mediziner haben ein weiteres Einsatzgebiet erforscht. Sie bestätigten erste Beobachtungen: Fumarsäure hilft auch gegen die Multiple Sklerose (MS). 257 MS-Patienten hatten an einer Studie unter Leitung von Professor Ralf Gold (Ruhr-Uni Bochum, kurz: RUB) und seinem Basler Kollegen Professor Ludwig Kappos teilgenommen. Bei mehr als 70 Prozent der Betroffenen traten weniger neue Entzündungsherde im Gehirn und etwa ein Drittel weniger Schübe auf. Nun müssen die Studien weitergehen: Demnächst starten dazu zwei weltweite klinische Studien mit über 2.000 Patienten. Den entscheidenden Tipp zur "Nebenwirkung" gaben Hautärzte. Die Schuppenflechte ist wie die Multiple Sklerose eine Autoimmunkrankheit, bei der sich die Immunabwehr gegen körpereigene Zellen richtet. Bei MS wird so die "Isolierschicht" der Nervenzellen zerstört. Die Fumarsäure beeinflusst das Immunsystem bei Schuppenflechte positiv - eine Tatsache, auf die der Direktor der Bochumer Universitätshautklinik, Professor Peter Altmeyer, schon vor einigen Jahren seinen Kollegen Professor Horst Przuntek von der der Neurologischen Klinik der RUB hinwies. In Bochum startete Dr. Sebastian Schimrigk danach eine erste kleine Studie mit zehn in der RUB-Klinik behandelten MS-Patienten. Unabhängig davon begann zeitgleich Professor Dr. Ralf Gold, damals noch beschäftigt am MS-Institut in Göttingen, mit Untersuchungen zur Fumarsäure-Wirkung am Tiermodell. Sowohl die kleine Anwendungsbeobachtung bei Patienten in Bochum als auch die tierexperimentellen Untersuchungen deuteten darauf hin, dass Fumarsäure eine hochaktive Substanz zur Behandlung der schubförmigen MS sein könnte. Die Ergebnisse von Dr. Ralf Linker aus der RUB-Neurologie sprachen dafür, dass Fumarsäure über einen zellulären Transkriptionsfaktor Nrf2 Nervenzellen schützt – ein neuer Wirkmechanismus. "Damit wäre diese Substanz eine der ersten, die bei der Therapie der Multiplen Sklerose so genannte Neuroprotektion vermittelt", so Professor Gold. "Auch würde sie sich optimal für eine Kombinationsbehandlung zum Beispiel mit Interferonen eignen, weil sie die Wirkungen gegenseitig ergänzen." Die Bochumer Neurologen hoffen, dass die nun beginnenden Therapiestudien sowie die experimentellen Daten die Therapie der MS weiter verbessern werden. Nachtrag: Das Medikament wurde unter dem "Kurznamen" BG-12 in Studien zur Zulassung zur Behandlung der Psoriasis als auch der Multiplen Sklerose erforscht. Der Zulassungsantrag für den Psoriasis-Part wurde von der Firma zurückgezogen. Dabei stand der Name des Medikamentes schon fest: Panaclar sollte es heißen. Es kam nie auf den Markt. Als Tecfidera wird es für die Behandlung der MS verkauft. Quellen: "Efficacy and safety of oral fumarate in patients with relapsing-remitting multiple sclerosis: a multicentre, randomised, double-blind, placebo-controlled phase IIb study". In: Lancet 372/2008 idw
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Die bisherige Blutbild-Kontrolle bei Patienten, die ein Medikament mit dem Wirkstoff Dimethylfumarat einnehmen (wie Fumaderm oder Tecfidera), ist nicht für alle Patienten sicher genug. Das ist das Ergebnis einer wissenschaftlichen Veröffentlichung von überwiegend deutschen Medizinern im Juni 2015. Sie muss nach Meinung der Experten unbedingt erweitert werden. Mit den bisherigen Verfahren könne es in sehr seltenen Fällen passieren, dass sich die lebensgefährliche Erkrankung Progressive Multifokale Leukoenzephalopathie (PML) entwickelt, ohne dass die bekannten Messwerte das signalisieren. Gleichzeitig seien Ärzte und Patienten aufgefordert, auf neurologische oder epileptische Symptome zu achten, denn solche Funktionsstörungen könnten ebenfalls ein Hinweis auf eine PML sein. Ein völlig anderer Weg wäre die vorsorgliche Impfung von gefährdeten Patientengruppen gegen PML. Die Autoren sind keine Dermatologen, sondern Neurologen. Sie schildern den Fall eines Schuppenflechte-Patienten, der zweieinhalb Jahre mit Fumaraten behandelt wurde. In dieser Zeit wurde erst die linke Gesichtshälfte taub, dann kribbelte und schließlich schmerzte sie. Innerhalb weniger Wochen breiteten sich diese Symptome auf den linken Arm und dann auf die gesamte linke Hälfte seines Körpers aus. Der Patient litt an Bewegungsstörungen und epilepsie-ähnlichen Anfälle. Beim MRT zeigte sich rechts eine Schädigung im Hirnstamm. Keine besorgniserregenden Werte Trotz gründlicher Analysen in zwei voneinander unabhängigen Laboren wurden keine entzündlichen, infektiösen Ursachen gefunden. Die Lymphozytenzahl war nicht besorgniserregend (500-1000/mm3); typische Merkmale für einen aktiven JV-Virus als Verursacher der PML gab es nicht (CSF JCV PCR-negativ). Erst eine Probe des Gehirns (Biopsie) bestätigte, dass der Patient eine PML hatte – zwei Jahre nachdem die ersten Symptome aufgetreten waren. Das Phänomen, dass Patienten an PML erkranken, aber die typische Marker dafür nur in sehr niedriger Anzahl oder gar nicht festgestellt werden konnten, sei schon länger bei Patienten mit Multipler Sklerose (MS) und AIDS beobachtet worden. Das schreibt einer der der Autoren, Dr. Igor J. Koralnik. Alle diese Patienten seien mit Medikamenten behandelt worden, die das Immunsystem deutlich abschwächen (Immunsuppressiva). PML-Fälle nach Dimethylfumarat untersucht Der Neurovirologe hat alle bisherigen Veröffentlichungen ausgewertet, in denen über PML-Fälle berichtet wurde, die durch Fumarate verursacht wurden. Eine Erklärung dafür fand er in einer Studie des Fumarat-Experten Professor Altmeyer von 1998: Fumarsäureester zerstören gerade diejenigen T-Lymphozyten besonders stark, die darauf spezialisiert sind, das PML-verursachende JC-Virus zu bekämpfen. Das sind die so genannten CD4+ - und die CD8+ - T-Zellen. Vor allem die CD8+ - T-Zellen seien, so Dr. Koralnik, von entscheidender Bedeutung. Aber gerade sie werden durch Fumarate fast zu 90 Prozent ausgeschaltet. Es gäbe aktuelle Zahlen von MS-Patienten, die mit Fumaraten behandelt wurden: 6,6 Prozent würden eine schwere Lymphopenie entwickeln. In dieser Gruppe wurde die kritische Menge von 200 Stück/mm3 bei den CD4+ - T-Zellen von 9 Prozent unterschritten, bei den CD8+ - T-Zellen aber von 54 Prozent der Patienten. Gesamtzahl der Lympthozyten okay, aber Untergruppe gering Es kann also vorkommen, dass es von den PML-entscheidenen T-Zellen-Untergruppen zu wenig gibt, obwohl die Gesamtzahl der Lymphozyten im grünen Bereich liegt. Das hängt auch davon ab, wie hoch ihre Anzahl bei Beginn der Therapie war. Dr. Koralnik vermutet, dass knapp 2 Prozent der Patienten mit schwerer Lymphopenie schon von Anfang zu wenig davon gehabt haben – trotz ansonsten normaler Leukozyten- und Lymphozyten-Menge. Deshalb müsste vor Beginn jeder Therapie mit einem Fumarat die Anzahl dieser T-Zellen-Untergruppen ermittelt und regelmäßig beobachtet werden. Es reiche auch nicht aus, lediglich eine Gesamtzahl der CD4+ - und CD8+ - T-Zellen zu kennen. Beide seien „Gedächtnis-T-Zellen“, die jede auf ihre Weise angesprochen werden, wenn der JC-Virus aktiv wird. Es seien hauptsächlich die CD8+ - T-Zellen, die JCV infizierte Zellen erkennen und zerstören. Deshalb müsse ihr Anteil hoch genug sein. Nur so könne über die gesamte Behandlung mit einen Fumarat eingeschätzt werden, ob ein PML-Risiko bestünde. JC-Virus kann auch Entzündungen im Großhirn hervorrufen Epileptische Anfälle seien in seiner Klinik bei knapp 20 Prozent derjenigen beobachtet worden, die an PML erkrankt waren, so Koralnik. Diese Anfälle seien durch das aktivierte JC-Virus verursacht. Das könne nicht nur eine PML hervorrufen, sondern auch Nervenfasern zerstören und Entzündungen in der Großhirn-Rinde bewirken. Vermutlich 40 bis 60 Prozent der Erwachsenen tragen das JC-Virus in sich. Ein intaktes Immunsystem hält es in Schach. Aber bei immungeschwächten Patienten kann es wieder aktiv werden. Insofern seien JC-Virus-verursachte Krampfanfälle ein zusätzlicher Hinweis auf eine mögliche PML-Erkrankung. Patienten und Ärzte weiterbilden Die Autoren meinen, es sei notwendig, Patienten und Ärzten weiterzubilden. Sie fordern, bisherige Diagnose-Algorithmen und Strategien zur Risikominderung zu überarbeiten. So sei der Grenzwert von 500/mm3 absoluter Lymphozyten „kein guter Indikator“ um das PML-Risiko einzuschätzen. Der Neurologe solle PML immer auch dann als mögliche Verdachtsdiagnose berücksichtigen, wenn es bei dieser Patientengruppe neurologische Auffälligkeiten, Veränderungen im Gehirn-MRT und Anfälle gibt. In bestimmten Fällen könnten PML-Schädigungen im MRT durch Kontrastmittel sichtbar gemacht werden, vor allem wenn das Medikament abgesetzt ist. Am sichersten sei aber eine Hirn-Biopsie. Vermutlich sei PML in der Vergangenheit bei Psoriasis-Patienten übersehen worden, weil man dachte, nur schwer immungeschwächte Patienten wären davon betroffen. Das wird durch einen weiteren Fall bestätigt, der im Juli 2015, von Tübinger Neurologen veröffentlicht wurde. Die aktuellen Entdeckungen bei Psoriatikern könnten damit zusammenhängen, dass die Ärzte durch die Vielzahl der PML-Fälle bei MS-Patienten aufmerksamer geworden sind. Ziel müsse es sein, diese lebensgefährliche Krankheit besser zu diagnostizieren, zu bewältigen und letztlich zu verhindern, dass sie bei Patienten auftritt, die mit Fumaraten behandelt werden. Zu dimethylfumarathaltigen Arzneimitteln läuft seit Dezember 2014 ein so genanntes "Worksharing-Variation-Verfahren" auf europäischer Ebene. Damit soll eine EU-weite, einheitliche Fachinformation erarbeitet werden. Auf der Seite des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte erfährt man, dass in der Produktinformation von Fumaderm auf die mögliche Nebenwirkung einer PML hingewiesen werden sollte. Außerdem läuft nach unseren Informationen zurzeit ein Verfahren wegen der Sicherheit von Tecfidera® im Gemeinsamen Bundesausschuss. Es ist zu hoffen, dass in beiden Institutionen darauf gedrungen wird, die Blutbildkontrollen zu erweitern. Vorsorgliche Impfung gegen PML? Einen völlig anderen Weg schlägt ein internationales Team von Neurologen der Universität Zürich in einer Veröffentlichung vom 24.9.2015 vor. Die Antikörper von Patienten, die an PML erkrankt sind, würden häufig das aktivierte JC-Virus nicht erkennen. Es ist den Forschern gelungen, einen Impfstoff zu entwickeln, mit dem "möglicherweise" vorsorglich gegen die PML geimpft werden kann. Denkbar sei, dass damit sogar eine PML behandelt werden könne, wenn das Gehirn bereits infiziert ist. Bei Mäusen wie auch bei einer PML-Patientin konnte damit die Antikörperantwort so verstärkt werden, dass das JC-Virus rasch vernichtet wurde. Dank an Dr. Thorsten Bartsch für seine Hinweise auf einige "Unschärfen". Weiterlesen: Fumaderm: Rote-Handbrief listet wichtige Tipps auf vom 24.11.15 Fumaderm – Wissenschaft widerspricht Praxis vom 13.09.15 Fumaderm-Therapien langfristig ausgewertet vom 18.05.15 Fumaderm: Wann besteht ein Risiko? vom 14.04.15 Fehlende Sicherheit bei Fumaderm? vom 14.04.15 Rote-Hand-Brief wegen Nebenwirkungen von Fumaderm vom 26.06.13 Kommentar: Fumaderm fehlt es an Forschung vom 27.04.13 Schwere Nebenwirkung von Fumaderm und Psorinovo berichtet vom 25.04.13 arznei-telegramm geteilter Meinung über Fumaderm vom 25.04.13 Fumarate – in Konsumgütern verboten, als Arzneistoff erlaubt vom 15.12.11
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Ein Kommentar Reichen die Kontrollen? Wir haben bei Biogen nachgefragt: Die Kontrolle des Blutbildes, bei der die absolute Zahl der Lymphozyten im Blut der Fumaderm-Patienten überwacht wird, sei „nach aktuellem Stand der Wissenschaft die führende Methode“. So könne rechtzeitig eine Lymphopenie erkannt werden. Genau die sei für typische Infektionen verantwortlich, die nur bei immungeschwächten Menschen auftreten, wie eben PML. Das bedeutet: Wenn Patienten regelmäßig ihr Blutbild kontrollieren lassen, dürfte sich keine lebensgefährliche Infektion entwickeln. Biogen verweist darauf, dass Patienten seit über 20 Jahren mit Fumaderm behandelt werden. Das entspräche 229.000 Patientenjahren (Stand 31.01.15). In den Bochumer Patientenakten gab es über 12 Jahre unter Fumaderm keinen einzigen PML-Fall. Das niederländisches Ärzteteam behauptet dagegen, ihr Fall zeige, dass die bisherigen Labor-Untersuchungen nicht ausreichen würden, um Patienten vor PML zu schützen. Aber auch der geschilderte Todesfall wirft Fragen auf, wenn man sich genauer damit beschäftigt. Wir haben dem leitenden Arzt, Dr. Dennis J. Nieuwkamp, geschrieben: "Weshalb wurden bei der Patientin zwei Jahre lang die Blutwerte nicht kontrolliert? Kann es sein, dass das PML-Testverfahren nicht völlig fehlerfrei arbeitet und auch falsche Ergebnisse liefern kann?" Leider hat er uns nicht geantwortet. Deshalb haben wir zu diesem Fall Dr. med. Johanna L'age-Stehr gefragt. Sie war am RKI spezialisiert in Immunologie und Virologie. „An der Diagnose PML nach zwei Jahren DMF gibt es keinen Zweifel. Die Messungen enthalten aber große Lücken und könnten methodisch unzulänglich sein.“ Kann es sein, sich eine PML unter zu geringer Lymphozyten-Zahl bildet, die sich aber danach wieder normalisiert? Da würde man als betroffener Patient gerne Genaueres wissen. Was, wenn dieser Fall nicht sachlich widerlegt werden kann? Dann reicht es nicht mehr aus, nur Lymphozyten zu zählen. Die bisherigen Kontrollen müssen dann neu überdacht und es müssen weitere Marker gefunden werden. Extreme Einzelfälle? Im Vergleich zur großen Menge der behandelten Patienten handelt es sich um extrem wenige PML-Fälle. Trotzdem ist natürlich jeder Fall einer zu viel! Auffällig ist, dass seit 2013 immer wieder PML-Fälle gemeldet werden - für den Monowirkstoff Dimethylfumarat (Tecfidera) sogar Todesfälle. Erst seit 2013 ist der Zusammenhang zwischen Dimethylfumarat und PML bekannt. Der Hersteller beider Präparate, Biogen, verweist darauf, dass es unter Fumaderm keinen einzigen Todesfall gegeben hätte. Das ist beruhigend, aber unseres Erachtens kein ausreichender Beweis dafür, dass das Gemisch aus vier Fumarsäure-Estern sicherer ist. Als besorgter Patient würde man sich sicherer fühlen, wenn eindeutig nachgewiesen wird, dass alle diese Einzelfälle reine Behandlungsfehler waren: Das heißt, der Arzt hat weiterbehandelt, obgleich die Lymphozyten-Zahl zu weit abgesunken ist. Aber es wird nicht darüber informiert, weshalb es trotz der Warnung in 2013 danach in Deutschland zu weiteren PML-Fällen auch unter Fumaderm kommen konnte. Weitere Behandlungsfehler? Richtig ist, dass grundsätzlich jedes Medikament, das das Immunsystem abschwächt, zu PML führen kann. Aber von anderen Psoriasis-Medikamenten sind solche Fälle (nach Raptiva) nicht bekannt geworden. Erfahrungen gegen Studien Das Psoriasis-Netz kritisiert seit langem, dass es keine wissenschaftlichen Auseinandersetzung zwischen Befürwortern und Kritikern der Fumaderm-Therapie gibt. Es bleibt uns Patienten überlassen, wem wir mehr vertrauen. Die Befürworter verweisen vor allem auf langjährige klinischen Erfahrungen mit sehr vielen Patienten und der Therapieempfehlung in den Leitlinien. Niemand bezweifelt, dass Fumaderm bei schwerer und mittelschwerer Psoriasis wirken kann, wenn auch die Zahl der Therapieabbrecher hoch ist. Aber heutzutage muss durch verblindete und Placebo-kontrollierte Studien nachgewiesen werden, wie gut ein Medikament wirkt und wie sicher es ist. Erfahrungen gelten in der evidenzbasierten Medizin als eher unsicherer Beweis. Genau solche Studien fehlen aber für Fumaderm. Es ist zugelassen worden zu einer Zeit, in der solche Studien nicht verlangt wurden. Völlig ausgeblendet wird, mit welchen Argumenten in allen anderen Ländern die Fumarsäureester-Therapie abgelehnt wird. Interessenkonflikte Die Befürworter berufen sich auf die Leitlinie zur Therapie der Psoriasis vulgaris. Darin ist die Therapie mit Fumarsäureester ausdrücklich vorgesehen. Die Mediziner der Stiftung Warentest berufen sich ausdrücklich nicht auf Leitlinien, sondern nur auf wissenschaftliche Fachliteratur und Bewertungen von „Institutionen, die im Auftrag des Gesetzgebers“ wirken. Denn Leitlinien stehen unter dem Verdacht, von der Pharmaindustrie beeinflusst zu sein. Das gilt auch für die Psoriasis-Leitlinie, wie die Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft in einer Expertise 2012 feststellte. Viele ihrer Autoren pflegen intensive geschäftliche Beziehungen zu Pharmafirmen. Auf der Gutachterliste der Stiftung Warentest dagegen stehen prominente Namen von Medizinern, die zu den wenigen tatsächlich völlig unabhängigen gehören. Was sicher ist Klar ist inzwischen, dass der eigentliche Wirkstoff gegen Psoriasis und Multiple Sklerose (MS) das Dimethylfumarat ist. 2006 sollte ein Medikament mit nur diesem einen Fumarat das Kombinationspräparat Fumaderm ablösen. Dafür lagen aussagekräftige Daten aus klinischen Studien zur Therapie der Psoriasis vor. Als sich herausstellte, dass es auch sehr gut bei MS hilft, wurde die Vermarktung für die Schuppenflechte eingestellt. 2013 kam es als Tecfidera auf den europäischen Markt. Es ist nur für MS zugelassen. Psoriatiker werden stattdessen weiterhin mit dem weniger verträglichen Fumaderm behandelt. Biogen teilte uns mit, dass man versuche wissenschaftlich zu ergründen, weshalb bei manchen Patienten die Lymphozyten-Anzahl derart stark abfällt. Es gäbe aber bisher noch keine gesicherten Erkenntnisse. Fazit Patienten, die mit Fumaderm behandelt werden, sollten nicht in Panik verfallen. Aber sie sollten wissen, dass das Mittel nicht nur harmlose Nebenwirkungen haben kann. Wie bei anderen immunsuppressiven Mitteln müssen die Blutwerte genau und regelmäßig kontrolliert werden. 2 bis 3 Prozent können an einer schweren Lymphopenie erkranken. Die aber kann behandelt werden, solange sie rechtzeitig erkannt wird. In Zukunft muss unbedingt geklärt werden, ob sich eine lebensgefährliche PML auch dann entwickeln kann, wenn die Leukozyten-Zahl im Normalbereich bleibt. Bisher habe sich die Beteiligten dazu in Schweigen gehüllt.
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Schon lange ist bekannt, dass der Wirkstoff Dimethylfumarat (DMF) in extrem seltenen Fällen die lebensgefährliche Gehirnerkrankung PML auslösen kann. Seit November 2020 ist es nun aber offiziell, dass schon ein leichter Mangel an weißen Blutkörperchen (Lymphopenie) dafür ausreicht. Das besagt eine Warnung (Rote-Hand-Brief) für das MS-Medikament Tecfidera. Dessen Wirkstoff DMF ist ebenfalls in den Psoriasis-Medikamenten Fumaderm und Skilarence enthalten. Patienten können das äußerst geringe PML-Risiko dadurch mindern, dass sie regelmäßig ihre Blutwerte kontrollieren lassen – möglichst mit einer separaten CD8+-T-Lymphozytenmessung. Außerdem sollten alle Beteiligten auf typische PML-Symptome achten. Das sind neurologische Veränderungen, die man selbst oft nicht mitbekommt. Im Psoriasis-Netz haben wir seit 2013 immer wieder über Fälle berichtet, in denen Patienten durch Fumarsäureester-Präparate an einer PML erkrankt und gestorben sind. Das hat es auch bei einigen anderen immunsuppressiven Wirkstoffen gegeben. PML-Fälle wurden damit erklärt, dass die Patienten trotz deutlich verringerter Lymphozyten-Anzahl weiterbehandelt worden wären. PML ist eine schwerwiegende Erkrankung des Zentralen Nervensystems und endet tödlich, wenn sie nicht rechtzeitig behandelt wird. Die Krankheit wird verursacht vom JC-Virus, mit dem sich viele schon im Kindesalter anstecken. Ein intaktes Immunsystem hält das Virus in Schach. Aber bei immungeschwächten Patienten kann es wieder aktiv werden. Lymphozyten sind eine Untergruppe der weißen Blutkörperchen (Leukozyten). Sie sind Teil des Immunsystems und wehren Krankheitserreger und körperfremde Strukturen ab. Hat man zu wenig davon, ist das eine „Lymphopenie“. Bisher galt, dass eine PML beim Wirkstoff DMF nur dann möglich ist, wenn ein Patient anhaltend eine schwere oder eine mittlere Lymphopenie hat. Jetzt gilt die Warnung auch für die leichte Form. Die normale Lymphozytenzahl liegt bei Erwachsenen zwischen 1.200 und 3.500 Zellen pro Mikroliter Blut. In der aktuellen Warnung wird als leichter Mangel ein Wert von ≥ 800/µI genannt. Schon ab diesem Wert könnte das gefährliche JC-Virus wieder aktiv werden. In solchen Fällen wird die Dosis des Medikaments heruntergesetzt. Bei schwerer Lymphopenie wird die Therapie sofort abgebrochen. Das ist bei Fumaderm der Fall, wenn die Lymphozytenzahl unter 500/μl sinkt; bei Skilarence unter 700/μl. Es gibt Patienten, bei denen schon bei geringer Dosis die Lymphozyten-Zahl stark zurückgeht. Das kann auch nach einem Jahr unauffälliger DMF-Therapie plötzlich passieren. Deshalb sind die regelmäßigen Blutuntersuchungen so wichtig. Doch es gibt auch Fälle, in denen sich eine PML entwickelt, obwohl keine Lymphopenie festgestellt wurde. Messtechnisch war dabei die Gesamtzahl der Lymphozyten hoch genug. Der Neurovirologe Dr. Igor J. Koralnik erklärt das damit, dass die Untergruppe der CD8+-T-Lymphozyten nicht einzeln gezählt wird. (Siehe das obige Foto: Es gibt nur eine Gesamtzahl für CD4+ und CD8+.) Aber nur diese Lymphozyten-Art kann die mit dem JC-Virus infizierte Zellen erkennen und zerstören. Deshalb rät Dr. Koralnik, zu Beginn einer DMF-Therapie unbedingt die Menge der CD8+-T-Zellen zu messen und weiterhin regelmäßig zu beobachten. Es gibt typische Anzeichen für eine sich entwickelnde PML, deren Ursache umgehend geklärt werden muss. Nicht alle dieser Symptome fallen einem selbst auf. Manchmal werden sie auch falsch eingeordnet – zum Beispiel als Alterserscheinung. Deshalb sollten nahestehende Personen gebeten werden, auf Veränderungen zu achten, die mehrere Tage anhalten: Schwäche und Taubheitsgefühl in Armen und Beinen, Ungeschicklichkeit, Schwerfälligkeit. Störungen des Hör-, Sprach-, Denk- Seh- oder Erinnerungsvermögens, Gedächtnisschwäche, Verwirrtheit, Persönlichkeitsveränderungen. epileptische Anfälle. Nur der Arzt kann klären, ob diese persönlichen Veränderungen mit der immunsuppressiven DMF-Therapie zusammenhängen. Der Hersteller Biogen macht deutlich, dass PML-Erkrankungen bei DMF-Patienten extrem selten vorkommen: „Unter den mehr als 475.000 Patienten, die mit Tecfidera behandelt wurden, traten 11 bestätigte PML-Fälle auf.“ Ähnlich gering waren in der Vergangenheit die Zahlen bei Psoriasis-Patienten. Dimethylfumarat kann, neben den bekannten relativ harmlosen Nebenwirkungen, auch weitere schwere haben. Trotzdem gibt es keinen Grund zur Panik, solange man sich als Patient aufgeklärt verhält. Tipps zum Weiterlesen Fumaderm: Rote-Hand-Brief listet wichtige Tipps auf Gebrauchsinformation Skilarence für Patienten
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Die Psoriasis gehört wie die Multiple Sklerose zu den häufigsten Autoimmunkrankheiten. Erstaunlich ist, dass bis heute fast alle Therapien, die für eine der beiden Krankheiten entwickelt wurden, bei der anderen eher schädlich sind – obwohl beiden Erkrankungen ein ganz ähnlicher Entzündungsvorgang zugrunde liegt. Eine Forschergruppe am Universitätsklinikum Tübingen untersuchte den Wirkmechanismus des kleinen, körpereigenen Moleküls namens Dimethylfumarat (DMF), weil es das erste Molekül ist, das sowohl die Psoriasis als auch die Multiple Sklerose bessert. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass dieses körpereigene Molekül ganz entscheidend die Wirkweise der wichtigsten Immunstimulatoren, der dendritischen Zellen, beeinflusst. Für die Entdeckung dieser dendritischen Zellen wiederum wurde dieses Jahr der Nobelpreis an Ralph Steinman verliehen. Normalerweise haben dendritische Zellen die Aufgabe, Gefahren die von Bakterien oder Viren ausgehen zu erkennen, das Immunsystem zu alarmieren und schützende Antworten gegen die Keime einzuleiten. Unglücklicherweise können dendritische Zellen irrtümlich aber auch Immunantworten gegen körpereigene Zellen einleiten und diese zerstören, wenn sie die falschen Informationen erhalten. Dies ist auch bei Erkrankungen wie Multipler Sklerose und Psoriasis der Fall. Das Tübinger Forscherteam konnte jetzt zeigen, dass kleine Moleküle wie DMF die dendritischen Zellen umerziehen können. Sie erziehen sie zu dendritischen Zellen, die vor einer Gewebezerstörung schützen können - die „Typ-2-dendritischen Zellen“. In Experimenten deckten die Wissenschaftler die Mechanismen auf, die für diese „Umerziehung“ der dendritischen Zellen verantwortlich sind. „Mit den gefundenen allgemeingültigen Regeln können neue, aller Wahrscheinlichkeit nach sehr sichere Medikamente entwickelt werden, die das Leben der Menschen mit schweren Autoimmunkrankheiten wie Psoriasis oder Multiple Sklerose deutlich verbessern werden“, sagt Professor Martin Röcken, Ärztlicher Direktor der Universitätshautklinik in Tübingen. Die Ergebnisse der Forscher wurden im „Journal of Experimental Medicine“ veröffentlicht. idw/cl Nachtrag: Forschungsergebnisse wie diese führten zum Medikament Tecfidera. Es ist inzwischen zur Behandlung der Multiplen Sklerose zugelassen und enthält den Wirkstoff Dimethylfumarat.
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In diesem Beitrag lesen Sie, was in Funk, Fernsehen und Internet rund um das Medikament Tecfidera und den Wirkstoff Dimethylfumarat geschrieben wurde. Dieser Artikel wird immer wieder aktualisiert. Links Informationen des Ausschusses für Humanarzneimittel der europäischen Zulassungsbehörde EMA über Tecfidera und die Gründe, warum es zur Zulassung empfohlen wurde (vom 27.11.2013; englisch) Informationen der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft über Tecfidera als (damals) neues Arzneimittel Artikel Bundesregierung hat zu Vorgängen um Tecfidera Stellung genommen (Deutscher Bundestag, 15.05.2014) Die Linke hatte eine Kleine Anfrage in den Deutschen Bundestag eingebracht. Thema war die "Versorgungslage, Evidenz und Kosten therapeutischer Verfahren bei Multipler Sklerose". Unter anderem ging es um den Wirkstoff Dimethylfumarat und das Medikament Panaclar, das für die Behandlung der Schuppenflechte zugelassen werden sollte. Der Antrag wurde vom Hersteller zurückgezogen. Statt dessen wurde es unter dem Namen Tecfidera® für die Behandlung der Multiplen Sklerose zugelassen. Die Linke wollte nun wissen, was die Regierung von den Geschäftspraktiken wie denen des Herstellers Biogen Idec hält. Alter Wirkstoff, neues Einsatzgebiet – 40x so teuer (Quarks & Co, 09.06.2014; inzwischen gelöscht) Da wird ein bewährtes Medikament vom Hersteller vom Markt genommen. Haargenau den gleichen Wirkstoff lässt die Firma dann zum Einsatz gegen Multiple Sklerose zulassen – und damit lässt sich 40x so viel verdienen. Wem das so ähnlich jetzt wegen eines bewährten Wirkstoffes aus der Psoriasis-Therapie vorkommt, der mag nicht ganz Unrecht haben Neue Märkte für alte Medikamente – die Tricks der Pharmafirmen (Fronta21, 12.11.2013; inzwischen gelöscht) Frontal21 berichtete über Medikamente, die vom Markt genommen werden oder dort gar nicht erst auftauchen, damit sie wenig später bei anderen Erkrankungen ein Vielfaches an Geld einbringen. Da darf das Beispiel Dimethylfumarat bzw. Tecfidera nicht fehlen. Tecfidera - der Aufstieg eines Medikamentes und seines Preises ("Die Zeit", 08.08.2013) Auch "Die Zeit" hat jetzt die Geschichte des Medikamentes Tecfidera aufgeschrieben und wundert sich über die enorme Preissteigerung. Pharmafirmen verzögern Markteinführung (Süddeutsche Zeitung, 15.07.2013) Im Medikament Tecfidera sahen viele Menschen mit Multipler Sklerose endlich ein Mittel, das sie nicht mehr spritzen müssen und das ihnen unter Umständen sogar noch besser hilft. Doch die Firmen verzögern die Markteinführung. "Sie warten auf einen stärkeren Schutz vor Nachahmerpräparaten", schreibt die Süddeutsche Zeitung. So zockt eine gierige Pharmafirma Schwerkranke ab (Schweizer Fernsehen, 30.04.2013, inzwischen entfernt) Zufällig entdecken Forscher, dass ein bewährter Wirkstoff gegen Schuppenflechte auch bei der schweren Krankheit Multiple Sklerose hilft. Der US-Konzern Biogen nützt dies aus und verlangt für ein neues Medikament mit altbewährtem Wirkstoff Tausende von Franken. Fumaderm-Nachfolger kommt offenbar nie für Psoriasis-Therapie (Plusminus, 30.01.2013, leider nicht mehr online) Die Wirtschaftssendung "Plusminus" berichtete über Probleme, wenn Hersteller wirksame Medikamente plötzlich vom Markt nehmen. Oder für bestimmte Indikationen gar nicht erst herausbringen. Als Beispiel dient der Fumaderm-Nachfolger Panaclar mit dem Wirkstoff Dimethylfumarat. Interessant auch ein paar Absätze weiter: Zulassungsantrag für BG-12 bei MS gestellt (AMSEL, 29.02.2012) Die Firma Biogen Idec hat bei der US-Zulassungsbehörde FDA einen Antrag zur Zulassung ihres Medikamente BG-12 (Dimethylfumarat) zur Behandlung der Multiplen Sklerose gestellt. Der Antrag bei der europäischen Behörde EMA sollte wenige Tage später erfolgen. Neues von Panaclar – über Umwege (NDR Visite, Januar 2012; leider nicht mehr online) Das neue Medikament mit Fumarsäure (korrekt: Dimethylfumarat) sollte seit Jahren für die Behandlung der Psoriasis kommen. Vorher sollte es jedoch für die Multiple Sklerose zugelassen werden. In der Sendung "Visite" wurde über das Medikament (bei MS) informiert. Im Abspann und im "Beiheft" zur Sendung wurde gesagt: Anfang 2013 soll es mit der MS-Zulassung so weit sein. So kann man ungefähr einen Zeithorizont für die Psoriasis-Zulassung ableiten.
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Die Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft (AKdÄ) hat im Juni 2014 darauf hingewiesen1, dass als Nebenwirkung von Fumaderm und Tecfidera Einzelfälle akuten Nierenversagens aufgetreten sind. Patienten sollten sich unbedingt an die empfohlenen Untersuchungstermine für die Laborwerte halten. Wer – neben den typischen Magen-Darm-Problemen – zusätzlich Fieber bekommt, sollte damit sofort zum Arzt gehen. Der wird dann die Retentionswerte bestimmen lassen. Damit kann er einschätzen, ob es Nierenprobleme gibt. Ein akutes Nierenversagen („akute Niereninsuffizienz“) ist ein schwerwiegendes Ereignis. Patienten, die mit einem Fumarsäure-Präparat behandelt werden, müssen trotzdem nicht in Panik geraten. In den beschriebenen Einzelfällen (!!!) hat sich die Nierenfunktion wieder normalisiert, nachdem das Präparat abgesetzt wurde. In der Datenbank für Unerwünschte Arzneimittelwirkungen, so das AKdÄ, würde Fumaderm in 18 Fällen mit Veränderungen der Nierenfunktion in Verbindung gebracht, darunter auch solche mit akutem Nierenversagen. Das sind angesichts der mehr als 200.000 Patientenjahre2 extrem selten vorkommende Nebenwirkungen. In der Fachinformation von Fumaderm® heißt es zu Nierenversagen, die Häufigkeit sei „unbekannt“. Erhöhte Serum-Kreatinin-Werte, die darauf hinweisen, dass die Niere geschädigt sein könnte, treten danach bei Fumaderm nur "gelegentlich" auf – das heißt, bei 0,1 Prozent bis 1 Prozent der behandelten Patienten. Tecfidera (Wirkstoff: Dimethylfumarat) ist nur für die Behandlung der Multiplen Sklerose (MS) zugelassen. In absehbarer Zeit wird dieser Wirkstoff von anderen Herstellern auch für Psoriasis-Patienten angeboten werden. Bei diesem Wirkstoff gelten Eiweiße im Urin (Protein, Albumin) als „häufig“ (1 Prozent bis 10 Prozent der behandelten Patienten). Keton-Körper treten sogar "sehr häufig" (10 Prozent und mehr) auf. Beides können Anzeichen für Leber-Schädigungen sein. Die europäische Zulassungsbehörde EMA bewertet den Wirkstoff Dimethylfumarat grundsätzlich nicht als nierenschädigend. Einzelne Schädigungen der Nieren- oder Leber-Kanälchen (Tubuli) gelten jedoch als mögliches Risiko. Patienten, die Fumarsäure-Präparate nehmen, sollten Blutbild, Leberwerte und Nierenfunktion regelmäßig überprüfen lassen3. Langfristig geplante Untersuchungstermine vergisst man eher nicht, wenn sie im Kalender oder Terminplaner eingetragen sind. Die Leitlinie S 3 zur Therapie der Psoriasis vulgaris empfiehlt folgende Laborkontrollen: Blutbild (Erythrozyten, Leukozyten, Thrombozyten sowie Differenzialblutbild) Überprüfung der Leberwerte (Transaminasen, Gamma-GT) Serumkreatinin Urinstatus Wie oft sollen die Laborkontrollen passieren? Dazu empfiehlt die Leitlinie: vor der ersten Einnahme bis zum 4. Monat alle 4 Wochen danach alle 8 Wochen Deutsches Ärzteblatt, Jg. 111, Heft 25, 20.06.2014 Zahl des Herstellers Biogen-Idec: 200.000 Patientenjahre bedeutet z.B. vereinfacht, dass 20.000 Patienten zehn Jahre lang Fumaderm genommen haben. Der Hersteller empfiehlt für Fumaderm in der Fachinformation Laboruntersuchungen u. a. von Serum-Kreatinin sowie Protein im Urin und Harnsediment während der ersten vier Wochen alle zwei Wochen, danach alle vier Wochen. Bei Anstieg des Kreatinins über die Norm soll die Behandlung mit Fumaderm® abgebrochen werden. Neben der Überwachung der Nierenfunktion werden regelmäßige Kontrollen von Blutbild und Leberwerten empfohlen.
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Für Medikamente mit dem Wirkstoff Dimethylfumarat besteht das sehr seltene (!!!) Risiko einer lebensgefährlichen Nebenwirkung: Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft weist auf elf Fälle einer PML hin, die nach der Einnahme von Fumaderm oder Tecfidera auftraten. Experten gehen davon aus, dass sich diese gefährliche Krankheit nur dann entwickeln kann, wenn trotz geringer Lymphozyten-Anzahl weiterbehandelt wird. Niederländische Ärzte haben einen Fall dokumentiert, bei dem eine Patientin an PML verstorben ist, obwohl ihre Laborwerte nicht auffällig waren. Dagegen wurde bei 879 Fumaderm-Patienten in Bochum über 12 Jahre kein einziger Fall einer gefährlichen Infektion, zu denen PML gehört, beobachtet. Im März 2015 bewerteten die Arzneimittel-Experten der Zeitschrift "test" Fumaderm als „wenig geeignet“ bei Psoriasis und warnen vor lebensbedrohlichen Infektionen. Im April 2015 verwies das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) darauf, dass weitere PML-Fälle bei Fumaderm-Patienten bekannt geworden sind. PML ist die Abkürzung für "progressive multifokale Leukenzephalopathie". Ärzte und Patienten sind aufgerufen, bei den geringsten Anzeichen das Medikament abzusetzen. Nur dann könne das Risiko einer PML abgeschwächt werden, zitiert MedPage Today einen Sprecher des Herstellers Biogen. PML-Risiko durch Lymphopenie Das BfArM informierte darüber, dass in Deutschland inzwischen neun PML-Fälle bei Fumaderm- und zwei bei Tecfidera-Patienten bekannt geworden seien: „Eine längerfristige, schwere Lymphopenie unter Therapie mit Dimethylfumarat wird als Risikofaktor für die Entstehung einer PML angesehen“. Ärzte und Patienten werden eindringlich aufgerufen, regelmäßig das Blutbild untersuchen zu lassen – monatlich bzw. bei Auffälligkeiten zweiwöchig. Sind im Blut weniger als 500 Lymphozyten pro Mikroliter (<500/μl) müsse die Therapie sofort abgebrochen werden. Alle Beteiligten sollten genau auf typische PML- Symptome achten: Störungen des Hör-, Sprach-, Denk- und Erinnerungsvermögens Schwäche- und Taubheitsgefühl in Armen und Beinen und / oder Persönlichkeitsstörungen /-veränderungen. PML ist eine schwerwiegende Erkrankung des Zentralen Nervensystems und endet tödlich, wenn sie nicht rechtzeitig behandelt wird. Die Krankheit wird verursacht von einem Virus, mit dem viele sich schon im Kindesalter anstecken. Bei Wikipedia heißt es, dass 40 bis 60 Prozent der Erwachsenen diesen Virus in sich tragen. Ein intaktes Immunsystem hält das Virus in Schach. Aber bei immungeschwächten Patienten kann es wieder aktiv werden. Sinkt also zum Beispiel die Lymphozyten-Anzahl unter den Mindestwert (<500/μl), kann sich das Immunsystem nicht mehr gegen das Virus wehren. Der Hersteller von Efalizumab (Raptiva) hatte 2009 wegen tödlicher PML-Fälle sein Präparat freiwillig vom Markt genommen. Wenn es nicht gelingt, das Immunsystem wieder so zu stärken, dass es das Virus eindämmt, stirbt der Patient. Weiterbehandlung trotz zu wenig Lymphozyten Bis 2013 ging man davon aus, dass Fumaderm – im Gegensatz zu anderen innerlich wirkenden Psoriasis-Präparaten – nur relativ harmlose Nebenwirkungen habe. Dann aber wurden Todesfälle bekannt. Einzelne Patienten, die mit dem Wirkstoff Dimethylfumarat allein oder mit Fumaderm selbst behandelt wurden, starben an PML. Der Hersteller Biogen verwies seinerzeit darauf, dass diese Patienten entgegen den Anweisungen in der Fachinformation behandelt worden seien. Bei derart niedrigen Lymphozyten-Werte hätte das Medikament abgesetzt werden müssen. Bei 185.500 Patientenjahren an Erfahrung mit Fumaderm nach Zulassung sei das ein extrem seltenes Ereignis. Trotzdem verschickte die Firma daraufhin eine Warnung an alle Ärzte (Rote-Hand-Brief). Darin verwies sie darauf, dass 3 Prozent der Fumaderm-Patienten eine schwere Lymphopenie (zu wenig Lymphozyten) bekommen könnten. Aktuell spricht die Firma nur noch von etwa 2 Prozent, bei denen die Lymphopenie mehr als 6 Monate anhält. Kritische Stimmen zu Fumaderm Die Mediziner des unabhängigen arznei-telegramm rieten 2013 (nicht zum ersten Mal) davon ab, Fumaderm einzunehmen. Es gäbe keine verlässlichen Studien zu Dosierung, Nutzen und Risiken. Die Bilanz, wie sich Nutzen und Schaden zueinander verhalten würden, sei "fraglich". Im gleichen Jahr bewertete auch das kritische Magazin Gute Pillen - Schlechte Pillen (GPSP) Fumaderm als "riskant", weil die Risiken von lebensbedrohlichen Infektionen des Gehirns und anderer Organe "unkalkulierbar" seien. Fumaderm, so GPSP, käme nur "in Ausnahmefällen bei schwerer Psoriasis" in Frage. Das sehen die Experten der Stiftung Warentest inzwischen genau so. Die therapeutische Wirksamkeit sei unsicher und es könne zu sehr schweren unerwünschten Wirkungen führen. Fumaderm sei allenfalls vertretbar, wenn besser bewertete Mittel nicht vertragen werden oder nicht ausreichend wirksam waren. Außerdem wurde vom arznei-telegramm 2013 kritisiert, dass weder Hersteller noch BfArM auf das tödliche PML-Risiko hinweisen würden. Das holt das BfArM nun nach zwei Jahren nach. In der Fachinformation zu Fumaderm wird aktuell (April 2015) weiterhin nicht auf die PML-Gefahr aufmerksam gemacht, sondern lediglich auf ein Lymphopenie-Risiko hingewiesen. PML ohne vorherige Lymphopenie Im November 2014 starb eine Multiple-Sklerose-Patientin an PML. Sie war über vier Jahre mit dem Medikament Tecfidera behandelt worden. Der Wirkstoff darin: Dimethylfumarat. Für den Tod wurde ursächlich eine Lymphopenie verantwortlich gemacht, die durch die Behandlung hervorgerufen wurde. Der Hersteller reagierte nun auch für dieses Medikament mit einer Warnung an alle Ärzte („Rote-Hand-Brief“). Das Psoriasis-Netz berichtete nicht darüber, weil Tecfidera nicht für Psoriatiker zugelassen ist. Jetzt aber warnt das BfArM vor allen Medikamenten, die Dimethylfumarat enthalten. Im April 2015 wurde ein weiterer Fall aus den Niederlanden publiziert, bei dem eine Schuppenflechte-Patientin an PML starb. Die Autoren, Dennis J. Nieuwkamp und Kollegen sagten, dass sei der erste Fall von PML durch Dimethylfumarat ohne anfängliche schwere Lymphopenie. "Eine Situation, die bisher für unwahrscheinlich gehalten wurde." Dieser Fall, so die Mediziner aus Utrecht, werfe wichtige Fragen zur Sicherheitsüberwachung auf. Langzeit-Auswertung ergab keine opportunistischen Infektionen Ende April 2015 stellten Mediziner der Uni Bochum eine Untersuchung von 879 Patienten vor, die seit zwölf Jahren mit Fumaderm behandelt werden. Darin bescheinigten die Mediziner dem Medikament ein „gutes Sicherheitsprofil“. In keinem Fall hätte es „opportunistische Infektionen“ gegeben. Das sind die gefährlichen Infekte, die typischerweise bei einer Lymphopenie auftreten können und zu denen PML zählt. Vielleicht interessiert dich ja auch unser Kommentar: "Fehlende Sicherheit bei Fumaderm?".
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Erfahrungen austauschen über das Leben mit Schuppenflechte, Psoriasis arthritis und dem ganzen Rest