Im Juli waren wir bei der FOBI 2024 in München – einem Fortbildungskongress für Hautärzte. Vieles, was wir in „Neues und Bewährtes zur Psoriasis im Jahre 2023“ berichtet haben, wurde aufgegriffen und vertieft. Einige Neuigkeiten für uns Menschen mit Schuppenflechte gab es aber doch.
Als zukunftsweisende Neuentwicklung gelten die Janus-Kinase-Hemmer. In nächster Zeit werden mehrere äußerlich und innerlich anzuwendende JAK-Präparate verfügbar sein. Es wird außerdem Tabletten mit Biologika-Wirkstoffen geben.
Ein Schwerpunkt waren die Psoriasis-Gedächtniszellen, die durch frühzeitige Behandlung zurückgedrängt werden können. Ein anderer Schwerpunkt waren die Ausnahmefälle, in denen Biologika verschrieben werden dürfen, obwohl die Zulassung das nicht vorsieht.
Vereinzelt wurde bezweifelt, ob „altehrwürdige“ Wirkstoffe wie MTX und Fumarsäure oder Bestrahlung noch geltender Stand der Wissenschaft seien.
Psoriasis war weniger Thema bei den wissenschaftlichen Vorträgen, dafür umso häufiger bei den Veranstaltungen der Pharmafirmen. Vor allem auf diesen "Industriesymposien" werden Studien vorgestellt und von Experten interpretiert.
Ja, der Artikel ist lang! Aber Ihr könnt in der Übersicht die Themen anklicken, die Euch interessieren.
Für schnelle Leser
- Der TYK-2 Hemmer Deucravacitinib (Sotyktu) verliert auch nach vier Jahren nicht an Wirkung; die Nebenwirkungen gehen um die Hälfte zurück, schwere Nebenwirkungen bleiben gleich hoch.
- Wessen Psoriasis erst zwei Jahre andauert, sollte gleich mit einem IL-23-Hemmer behandelt werden. Damit können Gedächtniszellen zurückgedrängt und langfristig eine schwere Psoriasis vermieden werden. Möglicherweise auch eine Psoriasis Arthritis.
- Damit Betroffene sofort mit einem Biologikum behandelt werden dürfen, sollten sie bei der Untersuchung alle (auch schambehaftete) Stellen zeigen und alle (auch peinlichen) Probleme erwähnen. Gehören die zu den „Upgrade-Kriterien“, reicht eines davon aus.
- Konventionelle Therapien (v.a. MTX, Fumarate, Bestrahlung) geraten in Verruf, weil sie im Vergleich zu neuen Wirkstoffen deutlich schlechter wirken und Begleiterkrankungen nicht beeinflussen.
- Methotrexat (MTX) hält Gelenkzerstörungen bei der Psoriasis Arthritis (PsA) nicht besser auf als ein Placebo. Alle vorgelegten Studien dazu entsprechen nicht dem aktuellen wissenschaftliche Standard.
- Es ist noch unklar, wann die Tacrolimus-Emulsion Sumilo auf den Markt kommt.
Die Einzelheiten
Vierjahres-Ergebnisse für TYK2-Hemmer
Von den TYK-2-Hemmern ist bisher nur Deucravacitinib (Sotyktu) für die Behandlung der Schuppenflechte zugelassen. Darüber haben wir ausführlich berichtet ("Tablette statt Spritze"). Die Professoren Astrid Schmieder (Würzburg) und Andreas Pinter (Frankfurt) legten aktuelle Daten von Patienten vor. Die wurden vier Jahre lang mit dem Wirkstoff behandelt. Das ist natürlich aussagekräftiger als die Ergebnisse der Zulassungsstudien. Die haben nur 16 Wochen gedauert.
Es zeigte sich, dass die Wirkung von Deucravacitinib auch nach über vier Jahren nicht nachlässt. Im Vergleich zum Beginn der Therapie ist die Schuppenflechte dauerhaft zurückgegangen: Bei über 70 Prozent der Patienten um 75 Prozent (PASI 75). Knapp 50 Prozent erreichten sogar einen PASI 90.
Die Zahl schwerer Nebenwirkungen ist nur leicht zurückgegangen. Sie betrug fünf Fälle pro 100 Patientenjahre. Alle anderen Nebenwirkungen gingen nach vier Jahren durchgängig um die Hälfte zurück. Das sind vor allem Nasen-/Rachenentzündungen, Atemwegsinfektionen, Kopfschmerzen, Durchfall und Gelenkschmerzen. Die Laborwerte blieben weiterhin unauffällig.
Deucravacitinib darf grundsätzlich nur dann verschrieben werden, wenn vorher andere Medikamente nicht gewirkt haben ("second line label“). Professor Pinter wies darauf hin, dass es aber möglich sei, es sofort zu verschreiben: wenn im konkreten Fall die Psoriasis derart schwer ist, dass konventionelle Wirkstoffe nicht helfen würden.
Und die Nebenwirkungen?
- Es traten im Laufe der 4 Jahre keine neuen Nebenwirkungen auf. Das Sicherheitsprofil blieb gleich.
- Die Rate der Nebenwirkungen sank von 229,2 pro 100 Patientenjahre im 1. Jahr auf 131,7 im 4. Jahr.
- Schwere Nebenwirkungen und Therapieabbrüche aufgrund von Nebenwirkungen nahmen ebenfalls ab.
- Die Häufigkeit von Gürtelrose, Krebs, schweren Herz-Kreislauf-Ereignissen, Venenthrombosen und Todesfällen ging zurück oder blieb stabil.
Psoriasis nicht chronisch werden lassen
Erst seit einigen Jahren weiß man, dass es Gedächtniszellen gibt, die ins Spiel kommen, wenn eine Schuppenflechte reaktiviert wird. Sie bilden sich als „immunologisches Gedächtnis“ an den Hautstellen, an denen Psoriasis-Läsionen entstehen. Wenn dann die Entzündung durch die Behandlung zurückgeht, bleiben diese Zellen weiterhin dort im Gewebe. Deshalb bildet sich die Schuppenflechte immer wieder an den gleichen Stellen.
Das ergab die GUIDE-Studie, die deshalb in der Fachwelt für erhebliche Furore gesorgt habe, so Professor Pinter. Es wurde untersucht, wie der Interleukin-23-Hemmer Guselkumab (Tremfya) bei Patienten mit unterschiedlich langer Krankheitsdauer wirkt. Es zeigte sich, dass diejenigen am besten und schnellsten auf den Wirkstoff reagierten, die nicht länger als zwei Jahre an Psoriasis erkrankt waren. Nach 68 Wochen hatten 93 Prozent der Kurzzeit-Erkrankten einen absoluten PASI< 3, sind also nur noch minimal beeinträchtig. Der PASI misst den Schweregrad (Hautrötung, Plaque-Dicke, betroffene Körperoberfläche) auf einer Scala von 0-72. Aus dieser Gruppe waren sogar 81,1 Prozent komplett erscheinungsfrei. Dieses Ergebnis hielt noch 18 Monate nach Absetzen des Biologikums an. Von den Langzeit-Erkrankten erreichten dagegen nur 38,1 Prozent eine völlige Abheilung (absoluter PASI =0). Patienten, die derart gut auf den Wirkstoff reagieren, werden „Super-Responder“ genannt. Wird ihnen das Medikament nach einer Pause wieder gegeben, wirkt es so gut wie vorher.
Die GUIDE-Studie hat gezeigt, dass die Zahl der Gedächtniszellen in der Haut kontinuierlich zurückgeht, wenn das IL- 23 blockiert wird. Nach wenigen Wochen gleicht das Hautgewebe an den Psoriasis-Stellen dem einer normalen Haut. Es gebe aber nur ein kurzes Zeitfenster, in dem man eingreifen könne, damit eine Psoriasis nicht chronisch wird, so Professorin Petra Staubach (Mainz). Seit man das weiß, wird empfohlen, bei kurzzeitig Erkrankten nicht lange mit anderen Therapien herumzuprobieren, sondern gleich mit einem IL-23-Hemmer zu behandeln. Professor Khusru Asadullah (Potsdam) spricht vom Therapie-Prinzip „smart and early“ – rät also, klug und frühzeitig zu behandeln.
Damit werde eine Schuppenflechte zwar nicht völlig verhindert, aber man habe sie unter Langzeitkontrolle, so Dr. Ralph von Kiedrowski (Selters). Vermutlich könne man durch frühzeitige Behandlung auch einer Psoriasis Arthritis entgegenwirken: Denn das IL-23 ist wesentlich an der Entstehung der PsA beteiligt. Professor Pinter vermutet, dass die frühzeitige Behandlung mit allen IL-Blockern wirkt, weil das Interleukin 23 die Gruppe der IL-17 aktiviert.
Professor Ulrich Mrowietz (Kiel) wies darauf hin, dass Kurzzeit-Erkrankte nicht nur frühzeitig behandelt werden sollten. Sie müssten von Anfang an in ein Netzwerk aus Arztpraxis, Familie und anderen eingebunden werden, das sie unterstützt, um die Belastungen möglichst gering zu halten.
Biologika wenn’s besonders schlimm ist
Die Psoriasis-Leitlinie nennt Fälle, in denen sofort mit einem Biologikum behandelt werden darf. Konventionelle Therapien (Bestrahlung, Fumarate, Methotrexat) müssen dann nicht vorher ausprobiert werden. (Therapie-Empfehlungen und Ausnahmen). Es reicht aus, dass eines dieser „Upgrade-Kriterien“ vorliegt. Dr. Nina Magnolo (Münster) plädierte dafür, in diesen Fällen auch Kinder gleich mit einem für sie zugelassenen Biologikum zu behandeln. Nicht aufgenommen sei eine schwere Fußnagel-Beteiligung, so Professor Johannes Wohlrab (Halle). Professor Pinter geht davon aus, dass diese Upgrade-Kriterien nicht nur für Biologika gelten. Wenn eine Psoriasis derart schwer ist, dass konventionelle Wirkstoffe erfahrungsgemäß nicht helfen, dürfte auch Deucravacitinib (Sotyktu) sofort verschrieben werden.
Es wurde allgemein beklagt, dass Psoriasis-Patienten eher zurückhaltend seien. Bei der Untersuchung würden oft nicht alle Stellen gezeigt werden. Niemand sollte sich scheuen, die Hautärztin darauf hinzuweisen, wenn eines dieser Upgrade-Kriterien vorliegt. Vor allem wenn es um schambesetzte Bereiche geht, wie z.B. die Genitalien oder den Po. Aber auch eher peinliche Probleme, die man im Alltag mit seiner Umwelt oder in der Partnerschaft hat (Stigmatisierung, Diskriminierung, gestörtes Liebesleben u.m.). Die Dermatologen sollen eigentlich bei der Untersuchung danach fragen!
Eigentlich darf ein Biologikum nur für die Fälle verschrieben werden, für die es zugelassen ist. Die Upgrade-Kriterien gehören nicht dazu. Sie stehen zwar in der Leitlinie, gelten aber lediglich als Empfehlungen. Allerdings spiegeln die Leitlinien den aktuellen „allgemein anerkannten fachlichen Standard“ wider. Solche Upgrade-Kriterien für die Behandlung mit Biologika gibt es nur in Deutschland. Sie werden grundsätzlich von den Krankenkassen anerkannt.
Konventionelle Therapien wirken schlecht
Professor Sascha Gerdes (Kiel) bezeichnete die klassischen („konventionellen“) Psoriasis-Therapien als „nicht mehr state of the art“.
- Sie würden bei zu wenig Patienten zu langsam wirken. So werde z.B. der PASI 75 bei Methotrexat (MTX) bei nur 45 Prozent nach 52 Wochen erreicht. Mit einem Biologikum sei es zehnmal so wahrscheinlich, einen PASI 75 zu erreichen wie mit einem Fumarat. Standard sei aber heutzutage PASI 90, den man mit neuen Medikamenten bei über 70 Prozent der Patienten erreicht.
- Sie würden nicht das Risiko für Begleiterkrankungen senken, z.B. Herz-/Kreislauferkrankungen, chronische, Darmentzündung aber auch Gelenke, sondern nur auf die Haut wirken.
- Britische Registerdaten zeigen, dass zum Beispiel 50 Prozent der MTX-Patienten die Therapie wechseln.
Er plädierte dafür, diese Therapien aus den Leitlinien zu streichen. Man vergeude wichtige Zeit, weil man mit "schlechten Medikamenten herumdoktere". Selbst finanziell würde sich die Behandlung mit den preiswerteren Präparaten nicht lohnen, wenn man alles mit einberechne.
Nach wie vor seien Fumarsäure und MTX die bei uns am meisten verschriebenen Wirkstoffe, so Professor Pinter. Er finde es in Ordnung, eines von beiden zu verschreiben, bevor man auf die neuen wechsele.
Tabletten oder Pen?
Die besten Ergebnisse erzielen zur Zeit Psoriasis-Wirkstoffe, die gespritzt werden. Trotzdem bevorzugen viele Tabletten o.ä. (Tablette statt Spritze). Apremilast (Otezla) und Deucravacitinib (Sotyktu) wirken gut, aber etwas schwächer als die Biologika. In Zukunft werden auch Interleukin-Hemmer, die bisher injiziert wurden (IL-17i + IL23i), als Tabletten zur Verfügung stehen.
Professorin Schmieder gab zu Bedenken, dass man eher vergesse, täglich eine Tablette einzunehmen als in größeren Abständen einen Wirkstoff zu spritzen. Anders bei Patienten, die sowieso schon täglich Pillen einnehmen müssen. Ratsam ist, eine sichere Möglichkeit zu finden, wie man täglich an die Einnahme erinnert wird. So kann man die Tabletten so auffällig deponieren, dass man sie nicht übersehen kann. Oder man hat auf dem Smartphone eine Erinnerungs-App.
Tacrolimus bei Kopf-Psoriasis
Im Februar 2024 wurde die Tacrolimus-Emulsion Sumilor zur Behandlung der Schuppenflechte auf der Kopfhaut zugelassen. Wir haben ausführlich über das neue Medikament berichtet (siehe Sumilor, eine tacrolimushaltige Emulsion - die kortisonfreie Alternative). Es gibt technische Probleme mit der Verpackung, so dass der Hersteller noch nicht absehen kann, wann das Produkt ausgeliefert und verschrieben werden kann. Wir werden melden, wenn es soweit ist.
Der Wirkstoff Tacrolimus gehört zur Gruppe der Calcineurin-Inhibitoren. Dazu zählen auch Pimecrolimus und Ciclosporin. Alle hemmen das Enzym Calcineurin. Das benutzt Zytokine, um Entzündungssignale ans Immunsystem weiterzugeben. Dieser Signalweg wird unterbrochen. Calcineurin-Hemmer werden seit langem bei der Neurodermitis eingesetzt. Sie gelten als nebenwirkungsarme Alternative zu kortisonhaltigen Salben, Cremes oder Emulsionen.
Aufgeschnappt
- Es gibt Fälle, bei denen die gute Behandlung der Psoriasis dazu führt, dass danach eine verborgene Neurodermitis aktiv, d.h. "demaskiert" wird. In 10% der Fälle läuft es umgekehrt (Prof. Diamant Thaci, Lübeck).
- Es gibt keine prospektiv-randomisierte Studie, die nachweist, das Methotrexat die Gelenkzerstörung bei der Psoriasis arthritis besser aufhält als ein Placebo (Dr. Philipp Sewerin aus Herne).
- 95 Prozent der Psoriasis-Patienten kommen nicht darauf, dass ihre anderen Krankheiten etwas mit Psoriasis zu tun haben könnten und umgekehrt (Professor Johannes Wohlrab aus Halle).
- Tägliches Baden verschlechtert eine Neurodermitis nicht, wenn man sich hinterher die Haut eincremt (Professor Thomas Werfel aus Hannover).
Frei verkäufliche Produkte, die uns aufgefallen sind
- Alnovat zur äußerlichen Behandlung einer leichten Psoriasis mit Ölextrakten aus Haselnüssen, Kokosnüssen, Mandeln, Brennnessel und Bittermandel. Dessen Wirkung wurde verglichen mit Calcipotriol (Firma: AlnaPharm)
- Kertyol P.S.O. für die Kopfhaut als Shampoo (mit Ichtyol 0,3%, Salicylsäure 2%) oder als Konzentrat (Ichthyol 0,5 %, Polidocanol 1%). (Firma: DUCRAY)
- Mediderm Shampoo für die Anwendung bei Psoriasis mit weißem Ichthyol. (Firma: Spreewälder Arzneimittel)
- natuur+ - breite Palette von therapiebegleitenden Produkten mit Blätterextrakt des Neembaums (Pflegecreme und -salbe, Kopfhautöl und -tonic, Nagelbalsam, Body Lotion, Shampoo.) (Firma: Azadivine)
- Norsan-Omega-3-Fettsäuren mit hohem EPA- und DHA-Anteilen in Kapseln und Fläschchen mit natürlichem Fischöl und für Vegetarier mit Algenöl. (Firma: Norsan)
- PsoriBene-Gel zur Schuppenentfernung bei Psoriasis mit Fettsäuren, Glyzerin, Jojoba- und Olivenöl. (wurde verglichen mit Loyon, Transkript 94) (Firma: InfectoPharm)
- Sebexol entzündungsvorbeugendes Haarwasser bei Juckreiz und Spannungsgefühl der Kopfhaut aus Meersalz, Natrium und Milchsäure. (Firma: DEVESA Dr. Reingraber)
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