Wie wird man mit Schuppenflechte als Behinderter anerkannt? Und wie sieht das bei Psoriasis arthritis aus? Wie geht das, was sollte man beachten und was besser nicht machen? Hier erfährst Du mehr darüber.
Das Behinderten-Recht als Teil des Sozialrechts verändert sich gelegentlich. Einzelfälle, in denen das Gesetz ausgelegt werden muss, werden gerichtlich entschieden. Urteile können überholt sein, wenn es neue Entwicklungen oder Erkenntnisse gibt.
Du kannst beim Versorgungsamt einen Grad der Behinderung (GdB) feststellen lassen, wenn Du durch eine Krankheit in Deinen körperlichen, geistigen oder seelischen Funktionen beeinträchtigt bist. Diese Beeinträchtigung muss dauerhaft sein, das heißt mindestens sechs Monate lang.
Ist bei Dir schon ein GdB anerkannt, kannst Du den dann neu beurteilen lassen, wenn sich eine bestehende Krankheit verschlimmert hat oder eine neue hinzugekommen ist.
Beraten lassen
Vor Antragsstellung solltest Du Dich allgemein informieren: Jedes Bundesland hat seine eigenen Veröffentlichungen, unter Titeln wie „Behinderung und Ausweis“, „Schwerbehinderte Menschen und ihr Recht“ oder „Berliner Ratgeber für Menschen mit Behinderung“. Die gedruckten Versionen bekommst Du beim Versorgungsamt. Du findest sie außerdem im Internet.
Wenn Du einen Grad der Behinderung (GdB) neu beantragen willst, solltest Du Dir von Experten helfen lassen. Die kennen die aktuelle Rechtsprechung.
Spätestens wenn die Behörde Deinen Antrag abgelehnt hat, solltest Du den Widerspruch nicht allein formulieren. Es gibt dafür spezialisierte Anwälte. Günstiger ist aber zum Beispiel eine Beratung bei der Verbraucherzentrale, bei den regionalen Beratungsstellen der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland, regionalen Selbsthilfe- Kontakt- und Informationsstellen, örtlichen Sozialstationen oder Pflegestützpunkten. Sozial- oder Patientenverbände bieten solche Beratungen meist nur für ihre Mitglieder an. In Großbetrieben und bei Öffentlichen Arbeitgebern wendet man sich an den Schwerbehinderten-Beauftragten.
GdB bei Schuppenflechte und Psoriasis arthritis
Psoriasis und Psoriasis arthritis sind chronische Krankheiten, d.h. die Betroffenen haben sie ein Leben lang. Aber nicht jeder ist gleich stark betroffen. So unterscheidet man bei der Schuppenflechte zwischen leichten, mittelschweren und schweren Fällen. Die Gelenk-Psoriasis dagegen verschlechtert sich im Laufe der Zeit, wenn sie nicht angemessen behandelt werden kann.
Die Gutachter des Versorgungsamtes halten sich penibel an die Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV). Daraus lassen sich viele Fragen beantworten. Die VersMedV erhältst Du kostenlos vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales oder im Internet.
Grad der Behinderung bei Psoriasis (VersMedV, Ziffer 17.7.)
- GdB bis 10, wenn die Psoriasis auf die bevorzugten, typischen Stellen beschränkt ist (mit Ausnahme des behaarten Kopfes).
- GdB bis 20, wenn die Pso ausgedehnt ist, aber erscheinungsfreie Intervalle von mehreren Monaten auftreten.
- GdB 30 bis 50, bei andauerndem ausgedehnten Befall oder stark beeinträchtigendem lokalen Befall (z.B. an den Händen).
Zusätzlich ist zu bewerten, wenn eine außergewöhnliche Nagelbeteiligung mit Zerstörung der Nagelplatten vorliegt. Im Einzelnen ist zu berücksichtigen, wie stark der Gebrauch der Hände, die Greif- und Geh-Fähigkeit beeinträchtigt sind, welche Schmerzen der Mensch hat und in wieweit die Nägel optisch verändert sind.
Für die Berücksichtigung des Behinderungsgrades sind außerdem in die Bewertung mit aufzunehmen:
- wo genau die Hauterscheinungen sind (Gesicht, Hände, Füße)
- wie stark der Juckreiz ist
- wie der oder die Betroffene bisher auf Therapien angesprochen hat (therapie-resistent?)
- wie oft der oder die Betroffene stationär (akut oder rehabilitativ) behandelt werden musste und
- wie kontinuierlich die Krankheit ambulant versorgt werden muss (Anzahl der Arztbesuch, auch wegen Bestrahlung, Blutabnahme, Spritze, Tropf).
- wie stark die Lebensqualität durch die Krankheit beeinträchtigt ist. Dazu gehören die psychischen Belastungen, die Einschränkungen im Beruf, Alltag, Freizeit und bei den Sozial- und Partnerschaftskontakten. Je genauer Patient und Arzt diese Belastungen dokumentieren, desto genauer kann der GdB bestimmt werden.
Ein GdB über 50 ist bei reinen Hauterscheinungen selten.
Grad der Behinderung bei Psoriasis arthrits (VersMedV, Ziffer 18.2.1)
Für die Psoriasis Arthritis gibt es keine eigene Tabelle. Die Gutachter orientieren sich an den Bewertungen für „entzündlich-rheumatische Krankheiten“.
- GdB bis 10 bei leichten Beschwerden, ohne wesentliche Funktionseinschränkungen.
- GdB 20 – 40 bei geringen Auswirkungen, d.h. leichtgradigen Funktionseinbußen und Beschwerden an einzelnen Gelenken (geringe Krankheitsaktivität).
- GdB 50 – 70 bei mittelgradigen Auswirkungen, d.h. andauernden, erheblichen Funktionseinbußen und /Beschwerden (therapeutisch schwer beeinflussbare Krankheitsaktivität).
- GdB 80 – 100 bei schweren Auswirkungen, d.h. nicht mehr zu reparierende Funktionseinbußen und fortgeschrittene Gelenkzerstörungen.
Erfahrungen von Menschen mit Schuppenflechte oder Psoriasis arthritis: Schau Dich in unserem Forum "Rechtliches und Soziales" um.
Weitere Erkrankungen und Haupterkrankung
In der VersMedV wurde für die Psoriasis schon berücksichtigt, dass Gelenke- oder Wirbelsäulen mit beteiligt sein könnten (Psoriasis Arthritis). Bekannt ist ebenfalls, dass es weitere schwere, lebensbedrohliche Begleiterkrankungen der Psoriasis gibt. Hast Du mehrere Krankheiten zugleich (z.B. Schuppenflechte, Psoriasis Arthritis, Zucker [Diabetes], Herzkrankheiten, Übergewicht [Adipositas], Depressionen), wird das bei der Festlegung des GdB wie folgt berücksichtigt: Es muss entschieden werden, welche dieser Krankheiten Dich am stärksten einschränkt. Danach wird geprüft, wie diese „Hauptbehinderung“ durch Deine weiteren Krankheiten verstärkt wird. Daraus ergibt sich eine „Gesamtbehinderung“, die durch den GdB ausgedrückt werden soll. Es kommt also sehr genau darauf an, für welche Krankheit Du im Antrag die stärksten Belastungen beschreibst.
Zähle auf einem Extrabogen alle Krankheiten auf, für die eine gesicherte Diagnose vorliegt. Ärzte sind verpflichtet, in einem kostenlosen „Ärztebrief“ die Diagnose Deiner Krankheiten zu bestätigen. Reiche diese Befunde nur in Kopie ein und behalten die Originale, falls Du später widersprechen oder klagen musst.
Beschreibe knapp, deutlich und drastisch, wie die Hauptkrankheit (Psoriasis) Dich einschränkt – körperlich, psychisch, sozial, beruflich, privat usw.
Wenn Du weitere Krankheiten aufgeführt hast, beschreibe, wie diese anderen Krankheiten die Psoriasis verschlimmern. Das ist nicht immer ganz einfach zu beschreiben. Starkes Übergewicht oder Herz-Kreislauferkrankungen können eine schon eingeschränkte Beweglichkeit weiter verschlimmern; Depressionen können nicht nur den Hautzustand verschlimmern, sondern auch Schmerzen oder Juckreiz.
Bedenke, dass der begutachtende Arzt des Versorgungsamts nicht viel Zeit hat und nach Aktenlage entscheidet. Entsprechend übersichtlich, aber nicht zu langatmig, sollten die Einschränkungen beschrieben werden.
Ärztliche Stellungnahme fürs Versorgungsamt
Auf dem Antrag musst Du eine Ärztin oder einen Arzt Deines Vertrauens nennen. Die oder der sollte das Krankheitsbild und den Krankheitsverlauf Deiner Hauptkrankheit (Psoriasis) möglichst umfassend beschreiben können. Diese Ärztin bzw. dieser Arzt wird automatisch vom Versorgungsamt um Stellungnahme gebeten. Dafür gibt es eine Vergütung. Es gibt Ärzte, die so etwas nicht gerne machen oder denen die Vergütung dafür zu gering ist. Deshalb fallen diese Befunde immer wieder knapp und oberflächlich aus. Damit sind sie dann wenig aussagekräftig. Du kannst Deine Ärztin oder Deinen Arzt entlasten: Lassen Dir Deine Patientenakte kopieren. Schreibe daraus für die Stellungnahme den bisherigen Krankheitsverlauf auf. Gehe die in der VersMedV genannten Punkte durch und schreibe möglichst zu jedem Punkt etwas auf. Mit diesen Informationen kann dann die ärztliche Stellungnahme fürs Versorgungsamt verfasst werden.
Bitte die Ärztin oder den Arzt außerdem zu vermerken, wenn Du ein sog. „Merkzeichen“ benötigst („gehbehindert“, „schwer gehbehindert“, „kann keine Treppen steigen“ „muss stets begleitet werden“). Dränge freundlich, aber bestimmt darauf, dass die Stellungnahme unverzüglich geschrieben wird. Du hast einen Anspruch darauf. Und bitte die Praxis, Dir die Stellungnahme zu kopieren, falls Du später widersprechen oder klagen musst.
GdB bei Erscheinungsfreiheit?
Es ist nicht besonders überzeugend, einen Neu- oder einen Verlängerungs-Antrag zu stellen, wenn Du gerade erscheinungsfrei bist. Wenn es trotzdem nicht anders geht, solltest Du auf Deinen bisherigen Krankheitsverlauf hinweisen. Aus dem geht hervor, dass der momentane Zustand nicht dauerhaft ist. Nach erscheinungsfreien Perioden hast Du regelmäßig wieder starke Schübe bekommen. Wenn dem Gutachter dieser Werdegang ausführlich vorliegt, wird er einen „Mittelwert“ bilden. Du musst mit einer Nachuntersuchung rechnen, wenn sich die Krankheit langfristig bessern könnte, zum Beispiel durch teure, hochwirksame innere Medikamente.
Antrag einreichen
Behalte eine Kopie des Antrags, falls Du dem Bescheid widersprechen musst. Bitte bei Antragsstellung das Versorgungsamt, Dir den Eingang zu bestätigen. Wenn Du später schriftlich nach dem Bearbeitungsstand fragst, muss Dir geantwortet werden.
Bescheid und Widerspruch
Der medizinische Gutachter der Behörde entscheidet meist nur auf Grund der schriftlichen Unterlagen. Eine ergänzende Untersuchung gibt es in seltenen Fällen nur dann, in denen die Aktenlage nicht eindeutig ist. Das gesamte Verfahren dauert ungefähr drei bis fünf Monate.
Am Ende des Verfahrens steht ein Bescheid des Versorgungsamts. Wenn Du damit nicht einverstanden bist, kannst Du innerhalb von vier Wochen dagegen Widerspruch einlegen. Halte die Frist ein und lege erst nur formal Widerspruch ein, ohne ihn zu begründen („Begründung folgt“). Dann lass Dir einen Termin zur Akteneinsicht geben. Manchmal enthält die Akte nämlich Befunde, die Du nicht kennst. Nimm möglichst eine Zeugin oder einen Zeugen dazu mit. Lass Dich nicht einschüchtern, wenn Deine Vertrauensperson nicht akzeptiert wird. Zur Not wende Dich an den Beschwerde-Ausschuss des Versorgungsamts.
Fordere schriftlich eine Kopie des ärztlichen Gutachtens vom Versorgungsamt. Das ist schließlich die Grundlage für den Bescheid, den Du nicht akzeptierst. Wichtig ist, dass Du den Name des Gutachters erfährst und welcher medizinischer Fachrichtung er angehört. Gerade bei den Krankheitsbildern Psoriasis und Psoriasis arthritis gibt es inzwischen derart viele neue Erkenntnisse, dass sie eigentlich nur ein Dermatologe bzw. Rheumatologe berücksichtigen kann.
Jetzt kannst Du Dich beraten lassen, in welchen Punkten Du widersprechen solltest. Für Deine Hauptkrankheit, Psoriasis oder Psoriasis arthritis gibt es ausführliche Beschreibungen, wonach sich der Grad der Schädigung bemisst: Die Anlage zur Versorgungsmedizin Verordnung – VersMedVi trägt den Titel „Versorgungsmedizinische Grundsätze“. In den Abschnitten 17 und 18 werden Hautkrankheiten und rheumatische Krankheiten behandelt.
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Klagen, beschweren oder neu feststellen lassen?
Ein Klageverfahren vor dem Sozialgericht ist in der ersten Instanz kostenlos, wenn Du das ohne Anwalt machst. Eine Rechtsberatung bei den Sozialverbänden kostet beim ersten Mal ebenfalls nichts. Das Sozialgericht setzt eventuell einen eigenen, unabhängigen Gutachter ein. Nachteil: Der Klageweg kann sich über sehr lange Zeit hinziehen, weil die Sozialgerichte völlig überlastet sind.
Du kannst Dich beim Versorgungsamt über Art und Methode des Gutachters beschweren, wenn Du den Eindruck hast, es sei fahrlässig entschieden worden. Im Rahmen der Dienstaufsichtsbeschwerde muss dann überprüft werden, ob der Gutachter Fehler gemacht hat. Schneller als auf dem gerichtlichen Weg geht es, wenn Du eine „Neufeststellung“ der Behinderung beantragts. Dann muss es eine neue Untersuchung und ein neues Gutachten geben. Auch hierbei solltest Du Dich vorher bei einer der genannten Beratungsstellen umfassend beraten lassen.
Beharrlich bleiben
Wenn Du fest davon überzeugt bist, dass es Dir zusteht, als Behinderter anerkannt zu werden, solltest Du nicht so schnell aufgeben! Du selbst weißt am besten, wie stark Deine Krankheit Dich einschränkt. Ein Bescheid vom Versorgungsamt ist nicht die Bibel! Es kann vorkommen, dass externe Gutachter überfordert sind oder es sich zu einfach machen. Überall sitzen nur Menschen, die sich irren oder die falsch entscheiden können. Du hast es mit einer schwerfälligen und meist überlasteten Bürokratie zu tun und Du forderst Extra-Arbeit. Gib also nicht auf, wenn die Behörde Deinen Fall nicht gleich genauso sieht wie Du selbst. Vor allem: Hol Dir Hilfe bei Fachleuten. In den meisten Fällen kostet die das zwar Zeit, aber kein Geld.
Tipps zum Weiterlesen
- In unserem Forum haben Betroffene schon viele Erfahrungen mit dem Antrag auf Behinderung und GdB ausgetauscht.
- In einem Expertenforum hatte ein Sozialarbeiter und Fachberater viele Fragen beantwortet.
- Ein Rentenberater hat in seinem Blog aus der Praxis geplaudert – auch über Psoriasis arthritis, Behinderung und den GdB.
- Eine Anwältin hat etwas über Stolperfallen und Tipps zum Antrag auf Schwerbehinderung bei rheumatischen Erkrankungen ausgeschrieben.
- "Studieren mit Behinderung" ist eine Broschüre der Studenten-Plattform fernstudieren.de.
- talentplus ist ein Portal zu Arbeitsleben und Behinderung.
- Die Deutsche Rheuma-Liga hat ein Merkblatt „Schwerbehindertenausweis“ herausgegeben. Außerdem gibt es von der Organisation ein Merkblatt „Das Verfahren und der Rechtsweg in sozialrechtlichen Angelegenheiten“ und eins über „Soziale Leistungen und Hilfen für Rheumakranke“.
- Informationen zum Schwerbehindertenausweis vom Sozialverband VdK Deutschland e.V.
- Rechtsanwalt Thomas Eschle aus Stuttgart hat einige Informationen zum Grad der Behinderung bei Hautkrankheiten aufgeschrieben.
- Rechtsanwalt Reinhard Dotterweich hat eine Tabelle mit Anhaltswerten zum Grad der Behinderung (GdB, GdS) ins Netz gestellt.
- Beim Familienratgeber der "Aktion Mensch" findest Du eine Übersicht über die Versorgungsämter je nach Bundesland.
- Schwerbehinderung – wie es geht und was es bringt: Stiftung Warentest hatte im Oktober-Heft 2018 etwas über den Schwerbehindertenausweis geschrieben. Das steht fast vollständig kostenlos im Netz. Gut ist die Schritt-für-Schritt-Anleitung. Hilfreich ist auch die Zusammenstellung, wie man mit einer Schwerbehinderung früher in Rente gehen kann.
Was du machen kannst, wenn dein Antrag auf Schwerbehinderung abgelehnt wurde, erfährst du in diesem Artikel:
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