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  • Claudia Liebram
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    Claudia Liebram

    Polio im Abwasser: Keine Panik – aber ein Blick ins Impfbuch ist trotzdem gut


    Polio gilt in Deutschland als praktisch ausgerottet, doch ihr Erreger taucht gerade wieder auf. In vielen Städten haben Experten Polio-Viren im Abwasser gefunden. Das klingt erst einmal beunruhigend. Die gute Nachricht zuerst: Die Fachleute geben Entwarnung. Ein großes „Polio-Comeback“ oder eine Epidemie droht uns nicht. Trotzdem ist diese Nachricht ein Weckruf: Erwachsene, die Immunsuppressiva nehmen, sollten ihren Impfschutz zu prüfen.

    Experten des Robert Koch-Instituts (RKI) haben die Proben von Abwasser untersucht. Sie fanden eine spezielle Art von Polio-Viren. Diese Viren stammen ursprünglich von einer Schluckimpfung ab, die man früher verwendet hat. Über die Zeit haben sich diese Impfviren verändert. Sie können jetzt wieder Menschen krank machen. Das passiert vor allem, wenn jemand keinen ausreichenden Impfschutz hat.

    Diese Viren wurden nicht nur einmal gefunden. Die Nachweise gibt es schon seit Ende 2024 an verschiedenen Orten. Das RKI vermutet deshalb, dass die Viren sich bereits unter Menschen verbreiten. Wahrscheinlich passiert das nur in begrenzten Gebieten. Aber die Möglichkeit besteht.

    Professorin Uta Meyding-Lamadé ist Expertin für Infektionen des Nervensystems. Sie beruhigt: „Die Polio-Impfung war eine außerordentliche Erfolgsgeschichte.“ Das Virus wurde weltweit um über 99 Prozent zurückgedrängt. Deutschland hat eine hohe Impfquote. Deshalb ist hierzulande keine große Krankheitswelle zu befürchten. Sie sagt aber auch: „Wir müssen davon ausgehen, dass sich nun wieder Menschen anstecken könnten.“

    Das betrifft vor allem zwei Gruppen. Die eine Gruppe sind Kinder ohne Impfschutz. Die andere Gruppe sind Erwachsene mit einem geschwächten Immunsystem – zum Beispiel eben durch Immunsuppressiva, die bei Schuppenflechte oder Psoriasis arthritis angewendet werden.

    Eine Ansteckung führt nicht immer zur Krankheit. Aber das Risiko für schwere neurologische Folgen besteht.

    Wer wegen Polio jetzt besonders aufmerksam sein sollte

    Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) gibt klare Empfehlungen. Es geht darum, die Menschen zu schützen, die am anfälligsten sind.

    Kinder brauchen einen lückenlosen Schutz: Der wichtigste Punkt ist der Impfschutz von Kindern. Kinderärzte achten normalerweise sehr gut darauf. Aber manchmal werden Impftermine vergessen oder verschoben. Dann sind die Kinder nicht mehr vollständig geschützt. Es ist wichtig, den Impfpass zu prüfen und fehlende Impfungen nachzuholen.

    Die Expertin weist auch auf ein weltweites Problem hin. In Kriegs- und Krisengebieten wie Gaza oder der Ukraine können viele Kinder nicht mehr geimpft werden. Wenn Kinder von dort nach Deutschland kommen, sollte man ihren Impfstatus immer prüfen. Das gilt natürlich für alle Kleinkinder.

    Menschen mit geschwächtem Immunsystem: Die zweite wichtige Gruppe sind Erwachsene mit einer Immunschwäche. Ihr Immunsystem kann Krankheitserreger nicht so gut bekämpfen. Das kann unter anderem die Folge einer Behandlung sein. Hier kommen Menschen mit Schuppenflechte oder Psoriasis arthritis ins Spiel. Viele nehmen Medikamente, die das Immunsystem gezielt dämpfen. Diese sogenannten Immunsuppressiva sind sehr wirksam gegen die Erkrankung. Sie machen aber auch anfälliger für Infektionen.

    Auch hier gilt: Kein Grund zur Panik! Erwachsene stecken sich viel seltener mit Polio an. Schwere Verläufe sind bei ihnen sehr selten. Trotzdem rät die Expertin: Wer zu dieser Gruppe gehört und nicht geimpft ist, sollte mit seinem Hausarzt über eine Impfung sprechen. Wer geimpft ist, sollte prüfen, ob eine Auffrischung fällig ist. Eine Grundimmunisierung kann man auch als Erwachsener jederzeit nachholen. Das dauert aber eine Weile. Man braucht dafür drei Impfungen über mehrere Monate.

    Was jeder selbst tun kann

    Der beste Schutz ist die Impfung. Sie ist sicher und sehr wirksam. Der zweite wichtige Punkt ist die Hygiene. Polio-Viren verbreiten sich durch eine sogenannte Schmierinfektion. Die Viren werden mit dem Stuhl ausgeschieden. Wenn man sich nach dem Toilettengang die Hände nicht richtig wäscht, können die Viren auf Türklinken, Haltegriffe oder andere Hände gelangen. Von dort finden sie leicht den Weg in den Mund. Die Lösung ist denkbar einfach: regelmäßiges und gründliches Händewaschen mit Seife. Auch Händedesinfektion hilft, das Risiko zu senken.

    Warum ist Polio so eine gefürchtete Krankheit?

    Die Krankheit wird auch „Kinderlähmung“ genannt. Sie verläuft oft in Phasen. Zuerst gibt es allgemeine Symptome wie Fieber und Kopfschmerzen. Dann kann die schlimmste Phase folgen. Das Virus greift das Rückenmark an. Es kommt zu Lähmungen. Typischerweise sind die Lähmungen asymmetrisch. Das bedeutet, nur eine Körperhälfte ist betroffen. Diese Lähmungen bilden sich oft nicht vollständig zurück.

    Außerdem gibt es Spätfolgen. Viele Jahre nach der Erkrankung kann das Post-Polio-Syndrom auftreten. Es äußert sich durch starke Erschöpfung und Schmerzen. Manchmal kommt es sogar zu einem neuen Muskelschwund.

    Behandeln kann man eine akute Polio-Erkrankung kaum. Es gibt keine Medikamente, die das Virus stoppen. Vorbeugen ist hier also alles.

    Tipps zum Weiterlesen

    Ratgeber: Überblick über Poliomyelitis vom Robert-Koch-Institut

    FAQHäufige Fragen und Antworten zum Thema Polio vom Robert-Koch-Institut


    Über die Autorin

    Claudia Liebram ist Journalistin in Berlin. Ihre Psoriasis begann, als sie drei Jahre alt war. Sie absolvierte den Masterstudiengang "Consumer Health Care" an der Berliner Charité.

    Mehr über und von Claudia Liebram


    Bildquellen

    Marcel Strauß / Unsplash

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