Kennst du das? Du hast dich gekratzt, geschnitten oder eine leichte Verbrennung zugezogen – und zwei Wochen später entsteht genau an dieser Stelle ein neuer Herd deiner Schuppenflechte. Das ist kein Zufall. Das ist der sogenannte Köbner-Effekt.
Für dich als Betroffenen ist dieses Phänomen wichtig zu kennen. Denn wenn du weißt, was den Effekt auslöst, kannst du im Alltag viele neue Psoriasis-Stellen vermeiden.
Was ist der Köbner-Effekt genau?
Benannt wurde das Phänomen nach dem Dermatologen Heinrich Köbner, der es 1872 erstmals beschrieb. In der Fachsprache nennt man es auch isomorpher Reizeffekt.
Einfach erklärt passiert Folgendes: Deine Haut wird an einer gesunden Stelle gereizt oder verletzt. Dein Immunsystem reagiert daraufhin überempfindlich. Statt die Wunde nur zu heilen, wandern Entzündungszellen in das Gebiet und lösen genau dort eine Schuppenflechte aus.
Das Tückische: Das passiert nicht sofort. Meist dauert es 10 bis 20 Tage nach der Verletzung, bis die Psoriasis sichtbar wird. Der Zeitraum kann aber variieren – von wenigen Tagen bis hin zu Jahren.
Wichtig zu wissen: Nicht jeder Mensch mit Psoriasis hat diesen Effekt. Schätzungen gehen davon aus, dass etwa jeder dritte bis vierte Betroffene darauf reagiert. Wenn deine Psoriasis gerade sehr aktiv ist, ist die Wahrscheinlichkeit für den Köbner-Effekt höher.
Die häufigsten Auslöser im Alltag
Alles, was deine Haut mechanisch, thermisch oder chemisch reizt, kann theoretisch einen neuen Schub an dieser Stelle auslösen. Hier sind die Dinge, auf die du achten solltest:
1. Druck und Reibung (Mechanische Reize)
Kleidung und Accessoires sind die Klassiker im Alltag:
- Enge Gürtel oder Hosenbünde (oft entsteht Psoriasis genau auf der Gürtellinie).
- Bügel von BHs oder enge Träger.
- Scheuernde Nähte oder Etiketten in der Kleidung.
- Brillengestelle, die hinter den Ohren drücken.
- Uhrenarmbänder oder eng anliegender Schmuck.
Tipp: Achte auf "Comfort Fit"-Kleidung, schneide kratzende Etiketten heraus und trage weiche, atmungsaktive Stoffe.
2. Verletzungen der Haut
- Schnittwunden (auch beim Rasieren)
- Kratzer durch Haustiere (Katzenkrallen, Hundebisse)
- Insektenstiche (und das anschließende Kratzen!)
- Tätowierungen und Piercings: Tattoos sind eine Nadelverletzung der Haut. Wenn du zum Köbner-Effekt neigst, kann es passieren, dass das gesamte Tattoo von Schuppenflechte überzogen wird oder vernarbt. Überlege dir diesen Schritt gut.
3. Hitze und Kälte (Thermische Reize)
- Sonnenbrand: Während UV-Licht oft heilend wirkt, ist ein Sonnenbrand ein massiver Entzündungsreiz, der großflächig Psoriasis auslösen kann ("Streuwirkung")
- Verbrühungen oder Verbrennungen
- Erfrierungen im Winter.
4. Medizinische Eingriffe
- Impfungen oder Akupunktur
- Operationsnarben
5. Chemische Reize
- Haarfärbemittel oder aggressive Kosmetika
- Allergische Reaktionen auf Pflaster
Der "Deep Koebner": Gefahr für die Gelenke
Wenn du an Psoriasis arthritis leidest, gibt es eine Sonderform: den "Deep Koebner"-Effekt (tiefer Köbner-Effekt).
Hierbei kann eine tiefergehende Verletzung – etwa ein starker Stoß gegen das Knie, ein verstauchter Knöchel oder eine Prellung – einen Entzündungsschub genau in diesem Gelenk auslösen. Wenn du nach einem Unfall oder Sportverletzung plötzlich anhaltende Gelenkschmerzen hast, sprich unbedingt mit deinem Rheumatologen darüber.
Was du tun kannst: Vorbeugen und Behandeln
Du kannst dich nicht in Watte packen, aber du kannst Risiken minimieren:
- Vermeide Kratzen: Wenn es juckt, versuche zu kühlen oder rückfettende Cremes zu nutzen, statt zu kratzen. Halte deine Fingernägel kurz.
- Wundversorgung: Wenn du dich verletzt hast, reinige die Wunde sofort und halte sie sauber. Eine entzündete Wunde provoziert den Köbner-Effekt stärker als eine saubere.
- Beobachtung: Behalte verletzte Stellen in den Wochen danach im Auge. Wenn sich dort Psoriasis bildet, beginne frühzeitig mit der Behandlung (z.B. mit den Salben, die dir dein Arzt verschrieben hat), um den Herd klein zu halten.
Fachwörter erklärt
- Isomorpher Reizeffekt: Der medizinische Fachbegriff für den Köbner-Effekt. "Isomorph" bedeutet "von gleicher Gestalt" – die neue Hautveränderung sieht also genauso aus wie die bestehende Grunderkrankung.
- Lichen ruber: Die Knötchenflechte. Eine andere entzündliche Hauterkrankung, bei der der Köbner-Effekt ebenfalls auftreten kann.
- Vitiligo: Die Weißfleckenkrankheit. Auch hier können an verletzten Stellen neue weiße Flecken entstehen.
Quellen und Weiterführende Links
S3-Leitlinie zur Therapie der Psoriasis vulgaris
AWMF-Registernummer 013-001 – aktueller Stand der Wissenschaft zur Psoriasis
Studien zum Deep Koebner
- Trauma-Induced Psoriatic Arthritis: A Deep Köbner Phenomenon (in: Case Reports in Dermatology, 17/2025)
- Can traumatic injury trigger psoriatic arthritis? A review of the literature (in: Clinical Rheumatology, November 2013)
- Role of Trauma in Psoriatic Arthritis (in: Journal of Rheumatology, November 2008)
"Wer interessiert sich heute noch für Heinrich Köbner?"
(Altmeyers Enzyklopädie, September 2021)
In seinem wöchentlichen Newsletter beschäftigt sich Professor Peter Altmeyer jeweils mit einem Aspekt aus dem weiten Bereich der Dermatologie. In einer Folge ging es um den Köbner-Effekt.
Das Köbner-Phänomen im Inneren
(Pso Magazin 4/2019)
In der Mitgliederzeitschrift des Deutschen Psoriasis-Bundes wurde das Köbner-Phänomen erklärt – und es gibt einen Hinweis darauf, dass äußerliche Verletzungen neben dem Köbner-Effekt auch eine Psoriasis arthritis auslösen können.

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