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  • Claudia Liebram
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    Claudia Liebram

    Tropisches Gänseblümchen: Was wurde aus dem Hoffnungsträger bei Psoriasis?

    Anfang der 2000er-Jahre sorgte eine Nachricht für Aufsehen bei Menschen mit Schuppenflechte: Britische Forscher hatten in den Samen eines tropischen Gänseblümchens (Fachname: Vernonia anthelmintica) vielversprechende Wirkstoffe gegen Entzündungen entdeckt. Die Hoffnung war groß, daraus ein wirksames Medikament zu entwickeln. Vielleicht hast auch du schon einmal von dieser Pflanze gehört oder gelesen. Doch was ist aus dieser Hoffnung mehr als 20 Jahre später geworden?

    Die Entdeckung von damals: Ein vielversprechender Start

    Um das Jahr 2000 berichteten Wissenschaftler des King's College in London von ihrer Entdeckung. Die Samen der Pflanze, die in der traditionellen indischen und ayurvedischen Medizin schon lange verwendet wird, enthalten Substanzen, die stark entzündungshemmend wirken.

    Die Forscher stellten fest, dass die Extrakte zwei interessante Eigenschaften kombinierten, die für die Psoriasis-Behandlung relevant sind:

    1. Sie hemmen die Entzündung in der Haut, ähnlich wie es Kortison tut.
    2. Sie verlangsamen die übermäßige Teilung der Hautzellen, ein Kernproblem der Schuppenflechte.

    Die Idee, eine pflanzliche Alternative zu etablierten Medikamenten wie Methotrexat (MTX) oder Kortisonsalben zu finden, klang vielversprechend und wurde von Patientenorganisationen positiv aufgenommen. Ein Pharmaunternehmen sicherte sich die Rechte, um die Forschung voranzutreiben.

    Der Stand heute: Warum gibt es kein Medikament aus dem Gänseblümchen?

    Wenn du heute in der Apotheke nach einem Psoriasis-Medikament aus Vernonia anthelmintica fragst, wirst du leider nicht fündig. Trotz des vielversprechenden Starts hat es dieser Wirkstoff bis heute nicht zur Marktreife als zugelassenes Arzneimittel in Europa geschafft.

    Das ist in der Medikamentenentwicklung kein seltener Fall. Der Weg von einer Entdeckung im Labor bis zu einem sicheren und wirksamen Medikament ist extrem lang, teuer und voller Hürden:

    • Wirksamkeitsnachweis: In großen, kontrollierten klinischen Studien am Menschen muss ein Wirkstoff beweisen, dass er deutlich besser wirkt als ein Placebo (ein Scheinmedikament).
    • Sicherheit: Nebenwirkungen müssen genauestens untersucht werden. Auch pflanzliche Stoffe können Allergien, Hautreizungen oder innere Schäden verursachen.
    • Standardisierung: Um eine gleichbleibende Qualität und Dosis zu gewährleisten, muss der Wirkstoff aus der Pflanze extrahiert und in einer exakten Konzentration verarbeitet werden. Das ist bei Naturstoffen oft eine große technische Herausforderung.

    Viele ursprünglich hoffnungsvolle Kandidaten scheitern an einer dieser Hürden. Die Forschung an Vernonia anthelmintica für Psoriasis scheint einer dieser Fälle zu sein.

    Was bedeutet das für dich? Finger weg von Eigenexperimenten!

    Im Internet findest du eventuell Anbieter, die Samen oder Extrakte von Vernonia anthelmintica (manchmal auch Kalijiri oder Bitter Cumin genannt) verkaufen. Hier ist höchste Vorsicht geboten:

    • Keine Kontrolle: Du weißt nicht, welche Konzentration an Wirkstoffen enthalten ist und ob die Produkte mit Schadstoffen verunreinigt sind.
    • Unbekannte Risiken: Ohne klinische Studien ist das Risiko von Nebenwirkungen nicht abschätzbar. Die Anwendung auf entzündeter Psoriasis-Haut könnte die Symptome sogar verschlimmern.

    Der Blick über den Tellerrand: Pflanzenheilkunde bei Psoriasis

    Die Geschichte des tropischen Gänseblümchens zeigt, wie komplex das Thema ist. Dennoch bleibt das Interesse an pflanzlichen Therapien, der sogenannten Phytotherapie, bei Psoriasis groß. Einige Ansätze sind besser erforscht, auch wenn sie klassische Therapien meist nur ergänzen und nicht ersetzen können. Dazu gehören zum Beispiel:

    • Mahonia aquifolium (Mahonie): Extrakte aus der Rinde dieser Pflanze sind in einigen Cremes und Salben enthalten. Kleinere Studien deuten auf eine milde antientzündliche und zellteilungshemmende Wirkung hin.
    • Aloe Vera: Das Gel der Pflanze kann bei leichter Psoriasis beruhigend und feuchtigkeitsspendend wirken, hat aber keinen Einfluss auf den Krankheitsverlauf selbst.
    • Weihrauch (Boswellia serrata): Weihrauchextrakte werden für ihre entzündungshemmenden Eigenschaften geschätzt und vor allem bei Gelenkbeschwerden wie der Psoriasis Arthritis untersucht.

    Fazit: Hoffnung und Realität

    Die Natur ist eine riesige Apotheke, und die Forschung an Heilpflanzen ist wichtig und richtig. Das Beispiel des tropischen Gänseblümchens ist jedoch eine wichtige Lektion: Nicht jede vielversprechende Entdeckung führt zu einem neuen Medikament.

    Für deine Behandlung der Schuppenflechte ist es entscheidend, auf geprüfte und zugelassene Therapien zu vertrauen. Wenn du pflanzliche Mittel ergänzend ausprobieren möchtest, sprich unbedingt vorher mit deiner Hautärztin oder deinem Hautarzt. So könnt ihr gemeinsam sicherstellen, dass es nicht zu unerwünschten Wechselwirkungen mit deiner aktuellen Behandlung kommt und du keine Risiken eingehst.

    Lexikon

    Phytotherapie: Die Behandlung von Krankheiten mit pflanzlichen Wirkstoffen oder ganzen Pflanzen. Umgangssprachlich auch als Pflanzenheilkunde bekannt.

    Zytotoxisch: Wörtlich "zellgiftig". In der Psoriasis-Therapie (z.B. mit MTX) werden zytotoxische Wirkstoffe in niedriger Dosis eingesetzt, um die übermäßige und schnelle Teilung der Haut- und Immunzellen zu bremsen.

    Tipps zum Weiterlesen

    Originalmeldung von 2000: Daisy 'remedy' for skin disease (BBC)

    Studie: Wissenschaftlicher Übersichtsartikel zu Vernonia anthelmintica (Englisch): Pharmacological potential of Vernonia anthelmintica (L.) Willd.: An overview (Pharmacognosy Reviews, 2014)


    Über die Autorin

    Claudia Liebram ist Journalistin in Berlin. Ihre Psoriasis begann, als sie drei Jahre alt war. Sie absolvierte den Masterstudiengang "Consumer Health Care" an der Berliner Charité.

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    Bildquellen

    Vernonia anthelmintica: Lunembule / Flickr | CC BY-NC-ND 2.0

    Erstmals erschienen:

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