Deine Psoriasis ist dank eines Biologikums zur Ruhe gekommen. Die Haut ist glatt, der Juckreiz verschwunden und die Lebensqualität ist zurück. Nach Monaten oder vielleicht sogar Jahren der stabilen Haut fragst Du Dich vielleicht: „Muss ich das Medikament wirklich für immer so oft spritzen? Könnte ich die Abstände zwischen den Injektionen vielleicht vergrößern?“
Diese Frage ist auch ein topaktuelles Thema in der dermatologischen Forschung und Praxis. Immer mehr Ärzte und Patienten beschäftigen sich mit der sogenannten Intervallverlängerung oder Dosisoptimierung. Hier erfährst Du, was dahintersteckt, für wen es eine Option sein kann und welche Chancen und Risiken es gibt.
Wichtig für den Hinterkopf: Hier geht es "nur" um die Intervallverlängerung bei Schuppenflechte – nicht bei Psoriasis arthritis.
Die Idee: So viel wie nötig, so wenig wie möglich
Die Dosierung eines Medikaments, wie sie im Beipackzettel steht, wurde in großen Studien für den „Start“ der Therapie festgelegt. Ziel war es, die Psoriasis bei möglichst vielen Menschen schnell und effektiv unter Kontrolle zu bringen. Wenn dieses Ziel erreicht ist und Deine Haut über lange Zeit stabil erscheinungsfrei bleibt, könnte es sein, dass Du für die „Erhaltung“ dieses Zustands weniger Medikament brauchst.
Genau hier setzt die Idee der Intervallverlängerung an. Statt das Biologikum stur alle vier, acht oder zwölf Wochen zu spritzen, wird in Absprache mit dem Arzt der Abstand schrittweise vergrößert.
Warum sollte man das überhaupt in Erwägung ziehen?
Es gibt mehrere gute Gründe, die für eine Anpassung der Dosis sprechen, sobald die Psoriasis stabil unter Kontrolle ist:
❇️ Mehr Lebensqualität, weniger Aufwand: Jede Spritze bedeutet Planung. Vielleicht musst Du dafür in die Praxis, sie speziell lagern oder Deinen Alltag um den Injektionstermin herum organisieren. Weniger Spritzen bedeuten mehr Freiheit und eine geringere gedankliche Belastung durch die Therapie.
❇️ Weniger Medikament im Körper: Biologika sind moderne und sichere Medikamente. Trotzdem ist es ein logischer Gedanke, dem Körper auf lange Sicht nicht mehr Medikament zuzuführen als unbedingt nötig. Eine geringere Gesamtdosis könnte das theoretische Risiko für Langzeitnebenwirkungen weiter senken und die Verträglichkeit verbessern.
❇️ Ein Gefühl der Kontrolle: Aktiv an der eigenen Therapie mitzuwirken und sie an den persönlichen Bedarf anzupassen, kann für viele Betroffene ein stärkendes Gefühl sein. Man ist nicht mehr nur passiver Empfänger, sondern aktiver Partner in der Behandlung.
❇️ Nachhaltigkeit für das Gesundheitssystem: Biologika sind sehr teuer. Eine verantwortungsvoll durchgeführte Dosisreduktion, die die Wirksamkeit nicht gefährdet, hilft dabei, die Kosten für das solidarische Gesundheitssystem zu senken.
Das große Aber: Risiken und was Du beachten musst
Die Vorstellung, weniger spritzen zu müssen, ist verlockend. Doch eine Intervallverlängerung ist keine harmlose Spielerei, sondern ein ernsthafter Eingriff in eine gut funktionierende Therapie. Sie muss wohlüberlegt und professionell begleitet sein, denn es gibt zwei wesentliche Risiken:
❎ Das Risiko eines Rückfalls (Rezidiv): Der häufigste und offensichtlichste Nachteil ist, dass die Psoriasis zurückkommt. Der Schutz des Medikaments lässt nach und die Entzündung flackert wieder auf. Die gute Nachricht aus Studien ist jedoch: Kehrt man nach einem leichten Rezidiv wieder zum ursprünglichen Spritzen-Intervall zurück, lässt sich die Kontrolle über die Psoriasis in den allermeisten Fällen wieder vollständig herstellen.
❎ Die Gefahr des Wirkverlusts durch Antikörper: Dies ist das komplexere Risiko. Dein Körper kann das Biologikum als „fremd“ erkennen und eine Art Abwehrreaktion starten, indem er Antikörper gegen das Medikament bildet. Diese Antikörper können das Biologikum neutralisieren, sodass es seine Wirkung verliert – und zwar möglicherweise dauerhaft. Man vermutet, dass längere Pausen zwischen den Injektionen diesem Prozess Vorschub leisten könnten. Moderne Biologika scheinen dieses Risiko zwar zu verringern, aber es ist nicht null.
Deshalb ist die wichtigste Regel: Eine Intervallverlängerung darf niemals ein Alleingang sein! Sie ist eine Einzelfallentscheidung, die Du nur gemeinsam mit Deinem behandelnden Hautarzt oder Deiner Hautärztin treffen und durchführen solltest.
Bin ich ein geeigneter Kandidat?
Die Forschung versucht derzeit, klare Kriterien zu definieren, die einen Erfolg der Intervallverlängerung wahrscheinlicher machen. Aus aktuellen Studien lassen sich einige Punkte ableiten, die dafürsprechen könnten:
✅ Langfristig stabile Haut: Das ist die Grundvoraussetzung. Deine Psoriasis sollte seit mindestens 6, besser 12 Monaten, sehr gut kontrolliert sein. Ärzte messen das mit Kennzahlen wie dem PASI oder dem PGA. Für Dich bedeutet das: Du bist nahezu oder komplett erscheinungsfrei.
✅ Niedriger Body-Mass-Index (BMI): Einige Daten deuten darauf hin, dass schlankere Menschen die Dosis erfolgreicher reduzieren können.
✅ Art des Biologikums: Neuere Studien, etwa zu IL-17- und IL-23-Inhibitoren, zeigen vielversprechende Ergebnisse bei der Intervallverlängerung. Aber auch bei älteren Biologika kann es funktionieren.
✅ Gute Lebensqualität: Wenn nicht nur Deine Haut (PASI), sondern auch Dein allgemeines Wohlbefinden (z.B. gemessen am DLQI) sehr gut ist, spricht das für eine stabile Krankheitskontrolle.
Ob Du diese Kriterien erfüllst und ob eine Dosisoptimierung für Dich sinnvoll ist, kann nur Dein Arzt beurteilen, der Deinen gesamten Krankheitsverlauf kennt.
Wie läuft eine Intervallverlängerung in der Praxis ab?
Wenn Du und Dein Arzt euch für einen Versuch entscheidet, passiert das nicht von heute auf morgen, sondern in kleinen, kontrollierten Schritten.
- Die gemeinsame Entscheidung: Du sprichst Deinen Wunsch beim Arzt an. Ihr besprecht die Chancen und Risiken und legt fest, ob jetzt der richtige Zeitpunkt ist.
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Die schrittweise Verlängerung: In der Praxis hat sich oft eine Verlängerung um den Faktor 1,5 bewährt.
Beispiel 1: Du spritzt bisher alle 8 Wochen. Das neue Intervall wäre dann 12 Wochen (8 x 1.5 = 12).
Beispiel 2: Du spritzt alle 4 Wochen. Das neue Intervall wäre dann 6 Wochen (4 x 1.5 = 6). - Engmaschige Kontrolle: In der Anfangsphase nach der Umstellung werdet ihr wahrscheinlich engere Kontrolltermine vereinbaren. Du selbst spielst hier eine Schlüsselrolle, indem Du Deine Haut genau beobachtest. Bei den ersten Anzeichen einer Verschlechterung informierst Du sofort Deinen Arzt.
- Anpassung bei Bedarf: Sollte die Haut stabil bleiben, könnte man nach einiger Zeit sogar einen zweiten Dehnungsschritt erwägen. Kommt es zu einem leichten Schub, wird in der Regel sofort zum alten, bewährten Intervall zurückgekehrt.
Was sagen die offizielle Leitlinie und die aktuelle Forschung?
Die maßgebliche S3-Leitlinie zur Behandlung der Psoriasis in Deutschland ist bei diesem Thema noch zurückhaltend. Sie empfiehlt eine Dosisreduktion nicht als Standard für jeden. Das liegt vor allem daran, dass noch mehr Langzeitdaten aus großen Studien abgewartet werden. Die Entscheidung wird daher dem ärztlichen Ermessen im Einzelfall überlassen.
Die Studienlage wird aber immer besser und unterstützt das Vorgehen:
- Eine aktuelle Übersichtsarbeit von 2024 kommt zu dem Schluss, dass die Intervallverlängerung bei Patienten mit stabiler Psoriasis wirksam, sicher und kosteneffektiv ist.
- Eine Praxisstudie von 2025 mit Nutzern von IL-17- und IL-23-Inhibitoren zeigte, dass eine große Mehrheit der Patienten, die das Intervall streckten, auch nach einem Jahr noch ein exzellentes Hautbild hatte.
- Bei einer Hautärzte-Tagung in Rom wurde im Juni 2025 eine weitere Studie vorgestellt. Da ging es speziell um die Wirkstoffe Guselkumab und Risankizumab. Bei den Teilnehmern der Studie wurde das Spritzen-Intervall um 50 Prozent verlängert. Im Jahr danach wurde die Schuppenflechte bei einigen noch besser, bei anderen etwas schlechter, aber immer noch minimal. Mehr darüber findet sich auf Seite 103 des Programmheftes der Tagung.
- Auch ältere Studien, wie die PSTELLAR-Studie, zeigten, dass ein Teil der Patienten den Zustand auch mit weniger Injektionen halten konnte, ohne dass neue Sicherheitsbedenken auftraten.
Die Wissenschaft geht also dahin: Der Ansatz ist vielversprechend und für die richtigen Patienten eine hervorragende Option.
Fazit: Ein Gespräch mit dem Arzt lohnt sich
Die Verlängerung der Spritzen-Intervalle ist kein Allheilmittel, aber eine ernstzunehmende und wissenschaftlich gut untersuchte Möglichkeit für viele Betroffene mit stabiler Psoriasis. Sie kann die Lebensqualität steigern und die Therapiebelastung senken.
Der Schlüssel zum Erfolg liegt in der Zusammenarbeit mit Deinem Hautarzt. Wenn Du Dich in der Beschreibung wiederfindest und Deine Haut schon lange stabil ist, dann sei mutig: Sprich Deinen Arzt oder Deine Ärztin beim nächsten Termin aktiv auf das Thema Dosisoptimierung an. Bereite Dich auf das Gespräch vor und trefft gemeinsam eine informierte Entscheidung, die für Dich und Deine Haut die beste ist.
Fachbegriffe kurz erklärt
💡 Antikörper (gegen ein Medikament): Das Immunsystem kann ein Medikament als fremd ansehen und spezielle Proteine (Antikörper) dagegen produzieren. Diese können das Medikament abfangen und unwirksam machen.
💡 Biologikum: Ein biotechnologisch hergestelltes Medikament, das gezielt in die entzündlichen Prozesse der Psoriasis eingreift, indem es bestimmte Botenstoffe des Immunsystems blockiert.
💡 DLQI (Dermatology Life Quality Index): Ein standardisierter Fragebogen mit 10 Fragen, der misst, wie stark eine Hauterkrankung die Lebensqualität eines Patienten im Alltag beeinträchtigt.
💡 IL-17- / IL-23-Inhibitoren: Moderne Klassen von Biologika, die gezielt die Botenstoffe Interleukin 17 oder Interleukin 23 blockieren. Diese Botenstoffe spielen eine zentrale Rolle bei der Entstehung der Psoriasis.
💡 Intervallverlängerung / Dosisoptimierung: Die bewusste und ärztlich begleitete Vergrößerung des Zeitraums zwischen den einzelnen Dosen (z.B. Injektionen) eines Medikaments.
💡 PASI (Psoriasis Area and Severity Index): Ein Punktesystem, mit dem Ärzte den Schweregrad der Psoriasis objektiv bewerten. Er berücksichtigt die Fläche der betroffenen Haut sowie den Grad der Rötung, Dicke und Schuppung. Ein PASI von 0 bedeutet komplette Erscheinungsfreiheit.
💡 PGA (Physician's Global Assessment): Die globale Einschätzung des Arztes zum Hautzustand, oft auf einer einfachen Skala von 0 (erscheinungsfrei) bis 5 (sehr schwer).
💡 Rezidiv: Das Wiederauftreten oder die Verschlechterung einer Krankheit nach einer Phase der Besserung; ein Rückfall oder Schub.
💡 S3-Leitlinie: Die höchste Qualitätsstufe einer medizinischen Leitlinie in Deutschland. Sie wird von vielen Fachexperten auf Basis der besten verfügbaren wissenschaftlichen Beweise (Studien) erstellt und gibt Ärzten Behandlungsempfehlungen.
Mehr zum Thema im Psoriasis-Netz
➔ Übersicht: Tabletten und Spritzen zur Behandlung der Schuppenflechte und der Psoriasis arthritis
➔ Forum: Erfahrungen von Menschen mit Schuppenflechte mit Medikamenten
➔ Blogartikel: Der Nutzer "GrBaer185" widmet sich in seinem Blog immer wieder mal diesem Thema – zum Beispiel hier.
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