Apps speziell für Menschen mit Schuppenflechte waren bisher nicht sonderlich langlebig. Jetzt reiht sich "Orya" leider ein.
App „Orya“ von Temedica
„Orya“ ist eine App, mit der Menschen mit Schuppenflechte ihre Krankheit und deren Verlauf besser verstehen sollten – und mit deren Hilfe klarer werden sollte, welche Einflussfaktoren es gibt. Das Ziel: die Betroffenen sollten ihrer Therapie länger treu bleiben, die Behandlungsergebnisse sollten langfristig besser werden.
Nutzer konnten Gesundheits- und Krankheits-Verlaufsdaten eingeben. Es gab eine Exportfunktion, damit diese Daten bei den gemeinsamen Entscheidungen mit dem Arzt helfen sollten.
Entwickelt wurde die App von der Firma Temedica. Kooperationspartner für die Psoriasis-App – also Geldgeber – war die Pharmafirma Bristol Myers Squibb. Die hat ein Medikament gegen Schuppenflechte auf dem Markt: Deucravacitinib, eine Tablette, die am Ende die Interleukine IL-12 und IL-23 sowie zusätzlich die vom Typ-1-Interferon bändigt. Wem das bekannt vorkommt: IL-12 und IL-23 sind „beliebte“ Angriffsziele der Biologika, die seit Jahren gegen Schuppenflechte und Psoriasis arthritis zum Einsatz kommen, aber als Injektionen daherkommen.
An der Entwicklung der App waren immer wieder Betroffene beteiligt. Jeder konnte sich als Tester „bewerben“ und wurde an einigen Stellen im Entwicklungsprozess um seine Meinung gebeten. Mal ging es darum, welche Funktionen gebraucht werden, mal darum, welche Formulierungen gebräuchlicher oder besser verständlich sind. Auch mit einem Instagram-Account wurde der Kontakt zu Betroffenen gepflegt.
Temedica, die Firma hinter der App, ist in Sachen Gesundheits-Apps absoluter Profi. Gründerin Gloria Seibert ist schon ewig auf den eHealth-Panels dieser Republik zuhause. Sie kennt alle Schwierigkeiten rund um die Entwicklung und Zulassung solcher Apps in einem Markt, der umkämpft und stark reguliert ist. Temedica hat Erfahrung mit Apps zur Begleitung bei Beckenboden-Problemen, Adipositas und Diabetes, Multipler Sklerose und Morbus Bechterew. Andere Apps dienen der Betreuung von Patienten in Studien.
„Durch die direkte und langfristige Interaktion mit Patienten gewinnt Temedica einzigartige und bislang unbekannte Einsichten und Real-World Evidence zu Krankheitsverläufen und zur individuellen Wirksamkeit von Therapien“, heißt es in der Selbstdarstellung der Firma in einer Mitteilung. „Temedica ist Experte für personalisierte Patienten-Unterstützung und für Erfassung, Strukturierung und Analyse von Gesundheitsdaten.“ Womit dann auch klar ist, wie Temedica sein Geld verdient: mit dem Verkaufen dieser Daten. Versprochen werden „einzigartige Einblicke entlang der gesamten Patient Journey und der Wertschöpfungskette im Gesundheitswesen“. Sprich: Temedica weiß dank der Daten, wie oder womit man Patienten in jeder Phase ihrer Erkrankung und ihres Lebens so ansprechen kann, dass sie der Pharmafirma oder jedem anderen Käufer der Daten treu bleiben – oder noch bessere Kunden werden.
Die App "Orya" wird zum 1. Januar 2024 eingestellt. Die Daten werden danach komplett gelöscht. "Wir hoffen, das Thema Psoriasis weiter zu bearbeiten", schrieb der Anbieter in einer Abschiedsmail.
Ein anderer Weg: "MyTherapy"
Einen etwas anderen Weg geht der App-Anbieter smartpatient. Dessen App „MyTherapy“ gibt es schon ewig. Sie ist nicht auf bestimmte Krankheiten spezialisiert. Das wird auch so bleiben, doch künftig werden einige Erweiterungen angeboten. Eine für Patienten mit Multipler Sklerose wird gerade in einer Studie untersucht. Eine Version „myTherapy für Psoriasis“ gibt es bereits. Sie ist ebenso kostenlos.
Dazu kommt für alle, die das Medikament Cosentyx nutzen, eine weiteres Zusatzangebot. Solche Zusatzangebote werden als Module zum Beispiel an Pharmafirmen verkauft. Inhalte wie Medikamenten-Erinnerungen, Videos, Artikel oder Bilder können von den Firmen direkt an Patienten gebracht werden, die ein Medikament oder anderes Produkt der zahlenden Firma anwenden. Dazu muss der Patient – wie bei allen Patientenbetreuungsprogrammen – nachweisen, dass er wirklich das Medikament verwendet.
Der Vorteil der App MyTherapy ist ihr übergreifender Ansatz: Viele Menschen mit Psoriasis haben auch andere Krankheiten. Die Behandlung, Medikamenten-Erinnerungen usw. in einer einzigen App zu organisieren, ist auf lange Sicht vielleicht alltagstauglicher. Bleibt aber auch hier: Der Nutzer ist mit seinen Daten Teil des Geschäftsmodells.
Lange allein: "Sorea Helferin"
Eine weitere App zur Begleitung von Menschen mit Psoriasis im Alltag speziell in Deutschland ist „Sorea Helferin“. Eine Basisversion ist kostenlos. Krankenkassen oder die Nutzer selbst zahlen für weitergehende Funktionen. Die Anbieter-Firma Nia Health zählt zu ihren Partnern aber auch Pharmafirmen wie Leo Pharma, Pfizer oder Sanofi Genzyme.
Noch frisch: Care+
Von der Firma Biogen kommt die App "Care+" für Menschen mit Gelenk-, Darm und Hauterkrankungen. Biogen ist Hersteller des Medikaments Fumaderm, aber vor allem von Biosimilars, also Nachbauten von Biologika. In der App wird über diese Art Medikamente informiert und jeder Nutzer kann seinen Gesundheitszustand protokollieren. Abgefragt wird dafür zum Beispiel ein ganz allgemeiner Gemütszustand ("Wie fühlen Sie sich heute?") oder die aktuelle Schwere der Psoriasis. Im Laufe der Zeit entsteht ein Verlauf. Vielleicht lässt sich daraus ja erkennen, dass die Schuppenflechte immer im Frühjahr oder immer im Herbst schlimmer wird. In einem anderen Teil der App gibt es Informationen zum Alltag, der Arbeit, über Sport oder Ernährung. Eine Erinnerung an die nächste Medikamenten-Anwendung kommt ebenfalls aufs Handy.
Ganz fehlerfrei ist die App nicht: So wird zum Beispiel ein Rechner für die Körperoberfläche angeboten – mit der Erläuterung "Mit diesem ... Rechner können Sie berechnen, wie viel Hautoberfläche von der Psoriasis-Arthritis betroffen ist." Die Psoriasis arthritis spielt sich aber eben nicht auf der Hautoberfläche ab.
Andere Apps: verschwunden
Alle anderen derartigen Psoriasis-Apps sind nach und nach aus den AppStores verschwunden. Wer sich ein Bild von ihren Funktionen machen will, kann dies bei uns tun: mit Screenshots der „My Psoriasis App“ von Leo Pharma und von der „PsoriApp“, die von Novartis kam.
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